Der Deutsche Freiheitssender 904

Geschichte des "Senders der KPD" www.radiohistory.de

Einleitung

 Am 17. August 1956 stufte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) in der BRD als verfassungswidrig ein. Die Partei wurde verboten und deren Auflösung angeordnet. Die Gründung von Ersatzorganisationen wurde untersagt und das Vermögen zu „gemeinnützigen Zwecken“ eingezogen.

Durch das Verbot 1956 entfiel der Partei der legale Rahmen zur Werbung und Verbreitung ihrer Ideen. Parteiarbeit mußte von nun an konspirativ geführt werden und Parteizeitungen wie allgemeine Schriften illegal weiterverteilt werden. Die Umstände jedoch erschwerten eine massenwirksame Verteilung. Schon am Tage des Verbots eine sprang daher eine Rundfunkstation helfend zur Seite, um den in der Illegalität lebenden Genossen eine Anleitung zu geben.

Der Deutsche Freiheitssender 904 (DFS 904) tauchte als „Stimme der KPD“ wie aus dem Nichts am Tage des Verbots der KPD, dem 17. August 1956, um 20 Uhr im Äther auf Mittelwelle auf. Er sollte über 15 Jahre in Richtung Bundesrepublik Deutschland senden, bevor er genauso plötzlich wieder am 30. September 1971 verstummte. Während seiner gesamten Lebensdauer umhüllte sich der Sender mit einem Schleier der Konspiration, welcher auch über 30 Jahre später noch nicht restlos gelüftet ist.

Schon am Abend des 17. August 1956, dem Tage des KPD-Verbotsurteils durch das Bundesverfassungsgericht, startete der DFS 904 mit einer ersten Sendung. Mit einer kurzen Vorlaufzeit in der Planung des Senders meldete sich die „Stimme der KPD“ als der „einzige Sender der Bundesrepublik, der nicht unter Regierungskontrolle steht“ von nun an regelmäßig im Äther, um seine Sicht der politischen Dinge zu verbreiten. Daß dies tatsächlich jedoch vom Staatsgebiet der DDR aus erfolgte, konnte nur kurz geheim gehalten werden, wurde aber von der DDR nie offiziell bestätigt. Schnell deckten westdeutsche Behörden und die Presse die Sendeanlagen Burg bei Magdeburg als Ausstrahlpunkt des DFS 904 auf. Schon in finanzieller und technischer Hinsicht war die „kleine“ KPD von der „großen“ SED abhängig, um den Betrieb eines leistungsstarken Senders aufrecht erhalten zu können.


Die Entstehungsphase des Senders 1956: Aufbau, Ausstattung, Zielsetzung

Der konkrete Planungsbeginn für den Sender 904 läßt sich nicht mehr genau feststellen. Heinz Priess, langjähriger Chefredakteur des DFS 904, erinnert sich in seiner Autobiographie jedoch an den Umstand, der ihn zum Sender brachte. Anfang August 1956 wurde Priess ins ZK der SED einbestellt, wo er Herrmann Matern (1893-1971) treffen sollte.[1] Matern, geboren in Burg bei Magdeburg, trat 1914 aus der SPD aus und schloß sich den Kommunisten an. In der Weimarer Republik übte er diverse Funktionärstätigkeiten für die KPD auf regionaler Ebene aus und wurde 1932/33 Mitglied des Preußischen Landtages. Von den Nationalsozialisten verfolgt, flüchtete Matern bis 1941 durch verschiedene europäische Länder, um schließlich um 1941 nach Moskau überzusiedeln, wo er Mitglied im Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD) wurde. Ab 1945 war er dann zuerst wieder auf Regionalebene tätig, bevor er 1950 ins Politbüro der SED kam, dem er bis zu seinem Tode angehörte.[2]

Matern war es, der Priess den Politbürobeschluß zur Installierung eines Radiosenders mitteilte, um die Agitation und Propaganda der KPD vor Ort ersetzen zu können. Dies bedeutete, daß die SED wohl schon vor Anfang August von einem wahrscheinlichen Verbot der KPD in der BRD ausgegangen war. Ein von Priess beschriebener Politbürobeschluß der SED ließ sich jedoch nicht auffinden[3]. Die Marschrichtung gab Matern jedoch in dem zehnminütigen Gespräch unmißverständlich vor: Elf Jahre nach Beendigung des Naziregimes werde nun die KPD wiederum verboten. Dies sei auch als Schlag gegen die DDR zu werten und erfordere deshalb die Klassensolidarität mit den Genossen der KPD in der BRD. Der wichtigste Punkt sei dabei die Ersetzung der Propaganda und Agitation vor Ort durch einen konspirativen Sender, ein Grund, warum beim Gespräch auch das PB-Mitglied der KPD Oskar Neumann zugegen war[4]. Er sollte in der ersten Zeit die Grundlinie der KPD bei Redaktionssitzungen darlegen.[5] Eine weitere Personalfrage wurde ebenso direkt durch Matern vorgegeben: In der Anfangsphase sollte Rudi Singer (1915-1980), den Sender „provisorisch“ leiten. In seiner Zeit als Chefredakteur des Senders mußte Singer seine vorherige Chefredakteurstelle bei der Freiheit in Halle ruhen lassen, nahm diese dann von 1958 bis 1963 wieder auf. Ab 1963 war er dann Leiter der Abteilung Agitation des ZK der SED und stellvertretener Vorsitzender der Agitationskommission beim PB. Von 1966 bis 71 bekleidete er das Amt des Chefredakteurs beim Neuen Deutschland (ND). Singer, der ab 1967 Mitglied des ZK war, übernahm schließlich ab 1971 den Vorsitz des Staatlichen Rundfunkkomitees.

Priess bekam am Ende des kurzen Gesprächs mit Neumann und Matern die Order, sich bei der Abteilung Agitation der Westabteilung zu melden, wo ihm nähere Informationen mitgeteilt würden. Daß Priess und Singer für neue Aufgaben eingeplant wurden, deckt sich auch mit den Akten des ZK der SED, Abteilung Agitation, wenn auch nicht vom DFS 904 gesprochen wird. In einer Beratung der Abteilungsleitung vom 31.Mai wurde über die neue Redaktion des ND gesprochen und ein PB-Beschluß vom vorgehenden Tage erläutert, der Singer von einer Beschlußfassung ausnimmt. Auch auf ein mit Max Reimann am gleichen Tag geführtes Gespräch wird Bezug genommen, in welchem Reimann darauf hinwies, daß der „Gen. Singer und auch in Kürze die Genossen Priess und Perk nach Westdeutschland gehen.“[6]

Priess meldete sich also in der Westabteilung, wo er von Max Spangenberg (1907-1987) näher instruiert wurde. Spangenberg, ebenfalls ein Spanienkämpfer und in der DDR seit 1954 stellvertretender Abteilungsleiter bzw. Leiter des Arbeitsbüros der Westkommission des PB des ZK der SED[7], beauftragte Priess, eine Redaktion und ein Sendeschema zusammenzustellen. Geld spiele dabei weniger eine Rolle, ließ Spangenberg wissen, ohne jedoch Beträge zu nennen. Jedoch lagen die Gehälter beim Sender in der Anfangsphase wohl deutlich über dem DDR-Durchschnittsgehalt. Priess bekam weiterhin sein Intendantengehalt von 2000 Mark, eine Cutterin sollte 900 Mark monatlich, ein Redakteur 1000 Mark bekommen. Im Vergleich dazu bekam in den 80er Jahren ein mit gleichen Aufgaben betreuter Mitarbeiter beim DDR-Rundfunk als Anfangsgehalt nur 700 Mark, so Priess.[8] Unterlagen der SED ZK-Abteilung Verkehr- und Verbindungswesen können die relativ hohen Gehälter beim DFS 904 bestätigen. Im Jahresplan von 1957 wird ein Gesamtdurchschnittslohn von 543 Mark beim staatlichen Rundfunk angegeben.[9]

Priess dachte laut eigener Erinnerung bei diesem Auftrag „sofort“ an den „Soldatensender-Calais“, der im Zweiten Weltkrieg mit Jazz und Big-Band-Sound, sowie frechen und lässigen Sprechern mit großer Wirkung Informationen bei den deutschen Landsern einschleuste und suchte daher auch besonders nach Sprechern mit westdeutschem Akzent, um einen Sendestandort des DFS 904 in der BRD besser vortäuschen zu können.[10]

Die Aufgabenstellung des Senders wurde schon durch die allgemeine Vorgabe seitens Materns gegenüber Priess beim Gründungsgespräch deutlich. Präzisiert durch das ZK der SED und den eigenen Vorstellungen der KPD-Führung wurde diese Grundaufgabenstellung während der gesamten Sendezeit des DFS 904 beibehalten. Priess selbst sah den Sender zwar als „Stimme der KPD“, aber die Sendungen sollten nicht nur als solche gesehen werden, sondern vielmehr als eine „oppositionelle Stimme in der bundesdeutschen Landschaft gelten“.[11] Die Ansage erläuterte dies allabendlich: „Hier ist der Deutsche Freiheitssender 904! Der einzige Sender der Bundesrepublik, der nicht unter Regierungskontrolle steht.“ Aus der Endphase des Senders sind Dokumente erhalten geblieben, die zeigen, daß das Ziel, die vermeintliche Wahrheit in die Bundesrepublik zu tragen, bis zum Ende aufrecht erhalten wurde. In einer Vorlage für das PB der KPD hieß es am 24.11. 1968, daß man trotz vorangegangener DKP-Gründung daran glaubte, die BRD würde auch ohne polizeiliche Mittel eine legale Verbreitung kommunistischer Druckerzeugnisse verhindern zu wissen. Die fehlenden „Millionengelder“ erschwerten zudem die massenwirksame Verbreitung, so daß nur die Avantgarde der Arbeiterklasse erreicht werden konnte. Daher beschrieb die Vorlage, die aus der Sendeleitung stammte, den Rundfunk weiterhin als einzige Möglichkeit, die Masse der westdeutschen Arbeiter zu erreichen und unterstrich somit die weiterhin geltenden Bedingungen, die 1956 zur Gründung des DFS 904 führten. Zudem bestehe noch der Vorteil, daß nicht erst abonniert werden muß, um kommunistische Gedanken nach Hause zu bekommen: 

Zitat Priess:

 „Der Funk ist darum geeignet, größere Kreise anzusprechen, schneller zu reagieren und unmittelbarer zu wirken. Wahrscheinlich hat jede Funksendung mehr Hörer, als alle unsere Zeitungen zusammen an Lesern haben. Es steht nicht die Frage „Zeitung oder Funk“, vielmehr ist der Funk die Ergänzung und Untermauerung für das Wirken der Parteipresse. Die Aufgabe und die Rolle des Deutschen Freiheitssenders 904 in der gegenwärtigen Periode besteht darin, als Sender, der sich gegen die Politik des Militarismus und Imperialismus in der Bundesrepublik, gegen den Abbau der demokratischen Freiheiten und gegen die Ausbeutung der Arbeiterklasse wendet, durch Argumente, Fakten und Kommentare die Politik unserer Partei massenwirksam zu verbreiten. Die Erfahrungen der Funkarbeit zeigen, daß besonders bei zugespitzten Situationen, sowohl international also auch im Land selbst, der Sender zum wirksamsten (weil schnellsten) Informations- und Kommunikations-Instrument wird. Das trifft besonders bei verschärften Klassenauseinandersetzungen, bei Streiks und Demonstrationen, sowie bei Polizeimaßnahmen oder militärischen Konflikten zu. In diesen Fällen ist der Sender nicht nur Agitator, sondern ein Mittel der Mobilisierung und Anleitung. Der Sender kann schließlich, da er ohne Verbotsdrohung arbeiten kann, durch Enthüllungen, die von DDR-Sendern nicht gebracht werden können, ein wirksames Instrument der antibonner Politik sein. Die Aufgabe des Senders besteht also in erster Linie darin, den Massenmedien der herrschenden Kräfte in der Bundesrepublik entgegenzuwirken und den politisch-ideologischen Kampf unserer Partei zu unterstützen. Er muß in dieser Funktion eine wichtige Lücke sowohl in der täglichen Agitation als auch in der vor uns stehenden ideologischen Auseinandersetzung schließen."[12]

Standort: "Links von Bonn"

Da eine solche Aufgabenstellung nicht durch eine mobile Sendeanlage in der Bundesrepublik umzusetzen war, aber trotzdem der Anschein erweckt werden sollte, aus dem bundesrepublikanischen Untergrund zu senden, schwieg man sich über den Sendestandort während der gesamten Lebensdauer des Senders aus. In einer dem Verfasser vorliegenden, nicht datierbaren Stationsansage meldete man sich ironisch mit: „ Hier ist der Deutsche Freiheitssender 904. Standort: Links von Bonn!“

Die Infrastruktur des Senders 1956-1971

Der tatsächliche Sendestandort war Reesen bei Burg in der Nähe von Magdeburg. Über einen der beiden Sendemasten wurde 904 dazugeschaltet, um durch Grenznähe und günstiger Ausbreitung nach Norden und Süden von Westdeutschland das Zielpublikum gut erreichen zu können. Vom Sendestandort war dies eine gute Ausgangslage, jedoch hätte man dazu auch eine störungsfreie Frequenz benötigt. Anfangs benutze man die exakte namensgebende Frequenz von 904 kHz, wanderte aber in den Jahren auf etwa 908 kHz, was aber bei den damaligen Empfangsgeräten nicht weiter auffiel. Ursprünglich war die Frequenz dem sowjetischen Sender Radio Wolga zugeteilt, der Sendungen für ein „Hilfskomitee zur Rückführung russischer Emigranten in die Heimat“ ausstrahlte, aber schon seit längerer Zeit außer Betrieb war. Insgesamt stand eine recht starke Sendeleistung von 250 kW zur Verfügung, die allerdings durch starke Interferenzen der Nachbarkanäle beeinträchtigt wurde. 904 quetschte sich regelrecht zwischen den Sender Mailand sowie die BBC-London und begrenzte dadurch eine bei ähnlicher Sendeleistung zu erzielende Reichweite erheblich.[1] In westdeutschen Rundfunk-Fachzeitschriften wurde immer wieder von einer Abschirmung gesprochen, die DDR-Techniker installiert hätten, um den Empfang in der DDR unmöglich zu machen.[2] Vermutlich gab es durchaus Überlegungen, eine solche Abschirmung zu installieren, technisch ließ sich diese jedoch nicht realisieren. Die Sendeanlage des DFS 904 bestand aus zwei Rohrmasten, wobei der westliche Mast als Strahler und der dahinter stehende als Reflektor benutzt wurde. Bei einer Leistung von 250 kW ließ sich jedoch keine „Dämpfung“ in Richtung DDR realisieren,[3] was auch die vielen Zuschriften aus der DDR bezeugten, die der Sender bekam, als er Ende der 60er Jahre ein Postfach einrichtete.

Als Studio stand dem Sender immer eine Einrichtung des Staatlichen Rundfunks der DDR zur Verfügung, von dort kamen auch die Technikerinnen und Techniker zum Sender, die nicht der KPD, sondern ausschließlich der SED angehörten.[4] Die ersten Sendungen kamen noch aus dem Hauptgebäude des DDR-Rundfunks in der Nalepastraße in Berlin. Das Sendestudio nahm sein erstes festes „Gast-Domizil“ daraufhin in Grünau ein, auf einem Gelände eines Ausweichstudios des DDR-Rundfunks, wo auch die technischen Gerätschaften schon vorhanden gewesen waren.[5] 1957 wurde jedoch das „Versteck“ immer bekannter, ein weiterer Umzug stand an, um die Konspiration wahren zu können. Selbst die BRD-Presse erhielt später den Hinweis auf den genauen Standort des Sendestudios:

                                              Regattastrasse 277, Berlin-Grünau.[6]




Da war die Redaktion jedoch schon wieder umgezogen, diesmal nach Friedrichshagen, wo man sich in einem Waldstück heimlich in einer Villa einrichtete. Diese war eine ehemalige Ausbildungsschule des DDR Rundfunks, deren Gelände auch von der Volkspolizei genutzt wurde. Erst Mitte der 60er Jahre bekam der Sender ein eigenes Domizil, für damalige Verhältnisse großzügig in Anwesen und Studiotechnik ausgestattet. Diese letzten Jahre verbrachten die Redaktion und das Sendestudio in Bestensee bei Königs-Wusterhausen, auf einem abgeschirmten Gelände direkt am See (dem sog. "Seechen").[7]

Mobirise

Betriebstagebuch

Auszug aus dem Betriebstagebuch

Sender Burg bei Magdeburg 

Konspiration als Grundverständnis und ihre Umsetzung 

Ohne Hilfe der SED war also gar nicht an einen Aufbau eines Geheimsenders zu denken gewesen, schließlich hatte die KPD keinerlei technische Ausrüstung zur Verfügung. Auch das technische Know-how kam von SED-Seite, so daß sich am Sender eine Organisationsstruktur gemischt aus KPD und SED herausbildete.

Die SED half ihrer Schwesterpartei auch bei Umsetzung der Konspiration im Alltag. Neben der zuvor erwähnten Verschleierung der Produktionsstätten sollte auch die offizielle Betätigung der Beteiligten in der DDR verschleiert werden, um den Status eines Geheimsenders aufrecht erhalten zu können.

Die offizielle Anstellung der Mitarbeiter des Senders erfolgte daher auch unverfänglich bei der SED ZK-Abteilung Verkehr – und Verbindungswesen. Von dort kamen auch die Gehälter am Monatsende, immer in Form von Bargeld in einem Umschlag.[19]

Konkrete Konspirationsmaßnahmen prägten die Situation am Standort des Studios vor Ort. Immer wieder wurden den Mitarbeitern Vorschriften zur Geheimhaltung des Standortes eingeschärft. Selbst das Privatleben der Mitarbeiter hatte sich nach konspirativen Regeln zu richten. Oberstes Gebot war die „Schweigepflicht über die Tätigkeit für alle, auch gegenüber den engsten Familienangehörigen hin, auch gegenüber staatlichen Organen der DDR hin. Was in dieser Beziehung zu regeln ist, geht über die Leitung des Hauses.“[20] Im vorgefundenen Dokument ist selbst der Standort nicht festgehalten, statt dessen wird nur der Begriff „Objekt“ für den Standort Regattastraße und „Neues Objekt“ für Berlin-Friedrichshagen verwendet. Den Mitarbeitern war es untersagt, sich in der Nähe des Standortes vom S-Bahnhof (gemeint ist wahrscheinlich der S-Bahnhof Friedrichshagen) von Verwandten und Bekannten abholen zulassen, bzw. sich mit diesen dort vor oder nach der Arbeit zu verabreden. Vor diesen durfte auch nichts über die Arbeit verlautbart werden, auch nicht auf indirekten Wege, z.B. durch Bestätigung auf eine Frage hin: „Nicht Bestätigung für Dinge geben – auch nicht in der Form: du weißt ja, ich brauche nichts zu sagen, kannst Dir ja vorstellen.“ Telefonate aus dem Objekt durften nur im Ausnahmefall geführt werden, auch wenn eine direkte Telefonkontrolle mit Belegzetteln nicht eingeführt wurde. Über Sendemanuskripte sollte ebenso nicht allzu laut diskutiert werden, wie mit weiteren Angestellten des Objekts über inhaltliche Dinge der Sendungen. In allem hatte der konspirative Grundsatz zu gelten: „Sage es dem, der es wissen muß und nicht dem, der es wissen könnte.“[21] Nachweislich ab 1962 werden stärker Decknamen zur Verschleierung der richtigen Identität eingesetzt, zuvor waren Mitarbeiter mit dem Vornamen genannt worden. Das Kollektiv nannte sich als ganzes mit dem Namen „Valentin“. Heinz Priess ist „Robert“, Erich Glückauf nannte sich je nach Funktion im Sender oder bei der KPD zuerst „Rüdiger“, später auch „Thomas“.[22] Begründet wird dies immer wieder mit dem Selbstverständnis und der Aufgabenstellung des Senders: 

 „Wir sind keine normale Parteieinheit wie im Sinne eines volkseigenen Betriebes in der DDR oder sonst einer Parteieinheit im legalen Rahmen. Wir sind auf einen Posten gestellt – und das scheint bei uns manchmal etwas verloren zu gehen – wir haben eine politische Schlüsselposition in der Agitationsarbeit unserer Partei. Das ist auch die Einschätzung unseres Zentralkomitees. Und alle Genossen, die aufmerksam die Zusammenarbeit zwischen uns und dem Politbüro verfolgen, werden merken, daß seit langer Zeit das Politbüro und das ZK unserer Partei uns in jeder Beziehung eine große Unterstützung geben. Wir stehen in der vordersten Linie des Parteikampfes mit den besonderen Umständen. Im Hitlerfaschismus mußte man dies vom Ausland aus machen. Wir sind heute in der DDR eine illegale Institution in einem legalen Rahmen auf dem Boden der DDR. Wenn wir auch illegal wären, der dauernden Verhaftungen, der dauernden Sicherungen des Objekts ausgesetzt usw. ausgesetzt würden, dann würden wir uns heute nicht mit Nachtzuschlägen, mit übergroßer Männerfreundlichkeit von Frauen zu befassen haben. Wir haben uns damit zu befassen, wie wir uns enger zusammenschließen, um unsere großen Aufgaben zu erreichen. [...]“[23]

Mobirise

Friedrichshagen

Sendestudio Friedrichshagen zu Berlin

 Konspiration am Sender sei nur die „reale Einschätzung der Ziele und Absichten des Gegners“, über die man vorgab, im Bilde zu sein.[24] Allerdings kann auch der Verdacht geäußert werden, die konspirativen Vorgaben seien nur aus Gründen der Personalführung in diesem extremen Maße propagiert worden. In der Anfangsphase hatte eine gewisse Konspiration durchaus Sinn. Die meisten der Mitarbeiter beim Sender wurden mit Haftbefehl in der BRD gesucht. Um bei einer illegalen Rückkehr und einer möglichen Verhaftung nicht zusätzlicher Vergehen und Straftaten schuldig zu sein, war eine Verschleierung durchaus sinnvoll. Allerdings hatten diejenigen, die sich für länger in der DDR einrichteten, nichts dergleichen zu befürchten. Der Redaktionsalltag, der schnell einzog, konnte daher auch gut mit Mitteln der Konspiration gesteuert werden und so die Linie der KPD wirksamer umgesetzt werden. Nach dem weiteren Umzug nach Bestensee, wo ein angeblich härteres Klima herrschte[25], was Programm und Umsetzung der Parteilinie betraf, war ein Einstellkriterium für eine Tätigkeit Ende 1968 ein „legaler Status“ in Westdeutschland, damit der Genosse auch ohne weiteres für Zwecke in Westdeutschland eingesetzt werden konnte. Unklaren Fällen bezüglich des Status in der BRD wurde eine Parteimitgliedschaft in der SED nahegelegt. Vermutlich zeigten sich hier jedoch die Auswirkungen der DKP-Gründung beim DFS 904: Auch wenn sich der Sender weiterhin als Stimme der KPD sah, glaubte er das Anliegen der DKP, sowie der außerparlamentarischen Opposition und der Studenten zu vertreten.[26]

Der Sender blieb bis zu seiner Abschaltung 1971 der ursprünglichen Aufgabenstellung als Geheimsender treu und vermittelte diese stetig Mitarbeitern wie Parteiführung. Die Konspiration des Senders war hierzu eine Art Kitt, der auch eine Art Daseinsberechtigung darstellte und deshalb auch den Redakteuren ihre besondere Aufgabe immer wieder in Erinnerung rufen konnte. 

Quellen



1: vgl. Fricke, S.474 f.; vgl. Helmut Bergmann: Freiheitssender – und Soldatensender – eine deutsche Episode. In: Funk Amateur 4-01, S. 376 f.; vgl. auch Feature DLRADIO.

2 vgl. Scheer, Roter Schwarzfunk, S. 18. Scheer nimmt Bezug auf einen Artikel in einer Kurzwellen Klub-Zeitschrift, in der sich ein Hörer in Brake/Unterweser zu diesem Thema äußert.

3 Dieser Hinweis stammt von Helmut Bergmann.

4 laut Interview mit Adolf und Christa Broch. Christa Broch stellte allerdings eine Ausnahme dar: Sie kam als Mitglied der FDJ zum Sender, wurde nach zwei Jahren in die SED aufgenommen, um darauffolgend aus Proporzgründen zwischen Arbeiter und Angestellten wieder ausgeschlossen zu werden.

5 vgl. ebd.

6 vgl. Gerd Scharnhorst: „904“ ruft Steckenpferd. Nicht aus Westdeutschland, sondern aus Ost-Berlin – Pirat auf Funkwellen. Die WELT vom 14.08.1960. (SAPMO-BArch BY1/2303–ohne Blattzählung)

7 vgl. Priess, S.282.

8 SAPMO-BArch BY1/2312. 28. 04.1960. Das Zahlenverhältnis läßt jedoch kein Rückschluß auf die Gewichtung der SED zu, da diese hauptsächlich die technische Seite stellte.

9 vgl. ebd. 20.10.1958.

10 ebd.

11 vgl. SAPMO-BArch BY1/2312 vom 28.04.1960.

12 vgl. Priess, S.283.

13 vgl. SAPMO-BARCH BY1/2312 vom 20.3.1958.

14 vgl. ebd. BY1/2600 Sitzungen des PB der KPD, keine Blattzählung. 19.9.1962.

15 vgl. Unsere Zeit (UZ) 20.4.2001. http://www.unsere-zeit.de/3316/s0202.htm. Carlebach äußerte sich nie öffentlich zu seiner Arbeit beim DFS 904.

16 Dies teilte mir Adolf Broch im Interview mit: „Die Parteiführung ging immer davon aus, daß der `liebenswerte Halunke` Alleingänge macht. Deshalb konnte er nicht da Chef sein, obwohl er im Grunde genommen die größte Autorität hatte.“

17 vgl. Wer war wer in der DDR? S. 400f.; vgl. SAPMO-BArch DY30/ J IV 2/2/661, Blatt 6. Politbüro Sitzung der SED 37/59 vom 28.7.1959. Adolf Broch konnte sich nicht erinnern, Jungmann beim Sender gesehen zu haben und vermutet auch eine Art Wiedergutmachung.

18 vgl. Priess im DeutschlandRadio.

19 Dies teilte mir Adolf Broch mit.

20 Genosse Heinz (vermutlich Heinz Priess) in der Parteiversammlung vom 11.7.1959. SAPMO-BArch BY1/2312.

21 vgl. SAPMO-BArch BY1/2312.

22 vgl. DeutschlandRadio; vgl. Klarnamen-Schlüssel in Findbuch SAPMO- BArch BY1/Band2/S.280-283. Adolf Broch teilte mir mit, daß man sich die Namen selber aussuchen konnte.

23 Heinz Priess auf der Parteiversammlung vom 9.11.1957. SAPMO-BArch BY1/2312. Die Diskussion ging u.a. über die Arbeitsbedingungen. Viele der Mitarbeiter wohnten quasi hauptsächlich im Objekt, was natürlich auch zu Reibereien führte.

24 vgl. ebd 11.7.1957.

25 so Adolf Broch im Interview. Auch Heinz Priess äußerst sich dazu, daß insbesondere die Vorgänge in der CSSR eine starke Belastung bei der Erklärung der KPD-Linie darstellten. vgl. Priess, S.305.

26 Thomas (Erich Glückauf) in der Vorlage über die Bedeutung, Rolle und Aufgaben des Deutschen Freiheitssenders 904 vom 24.11 1968. SAPMO-BArch BY1/2927, Politbüro der KPD.

Konspiration:

1 vgl. Priess, S.276.

2 vgl. Wer war Wer in der DDR? S.557.

3 vgl. Priess S. 277. Es ist jedoch durchaus möglich, daß der Beschluß deswegen im SAPMO-BArch nicht aufzufinden war, weil es sich um eine reine Verabschiedung einer protokollarisch nicht näher erläuterten Vorlage in den Akten des PB der SED handelt.

4 vgl. ebd.

5 laut Interview mit Adolf u. Christa Broch.

6 SAPMO-BArch DY 30/IV 2/9.02/5/ Blatt 142.

7 vgl. Wer war Wer in der DDR?, S.808.

8 vgl. Priess, S. 279; 282. Allgemein läßt sich über die finanzielle Ausstattung über diese Information hinaus, wie auch schon zuvor angemerkt, nichts feststellen.

9 vgl. SAPMO-BArch DY30/ IV 2/6.05/81 Blatt 6-11.

10 vgl. Priess, S.281.

11 ebd. S.282 f.

12 SAPMO-BArch BY1/2927. Thomas (Erich Glückauf): Vorlage über die Bedeutung, Rolle und Aufgaben

Das Programm des Deutschen Freiheitssender 904

Schema und Analyse

In der Anfangsphase meldete sich der Sender zunächst täglich um 20 und 22 Uhr mit je einer Stunde Programmdauer auf Mittelwelle. Die Sendezeit wurde in den kommenden Jahren ständig aufgestockt, beachtet man die überlieferten Sendeansagen. Am 22. April 1959 kündigt der Freiheitssender eine Verlängerung der Abendsendungen um eine Stunde an:

„Von heute, liebe Freunde, wird unsere Sendung jeden Abend drei Stunden dauern. Wir hoffen, daß die Herren vom Verfassungsschutz und von der politischen Justiz uns noch einmal verzeihen können – wir wollen es auch ganz bestimmt jeden Abend wieder tun.“[1]

Auch eine Morgensendung wurde in dieser Zeit eingeführt, die in der Zwischenzeit von 4.30 bis 6.00 Uhr lief.[2] Schließlich kamen in den 60er Jahren noch Fremdsprachenprogramme hinzu:

Kadermäßiger Abbau und sonstige Sparzwänge zwingen den Sender Ende 1968 zu Programmkürzungen. Auf Beschluß des PB der KPD fällt die Frühsendung weg und in den Abendsendungen wird mit vielen Wiederholungen gearbeitet:



19.00 – 19.30 Uhr Politische Sendung mit Musik

21.00 – 21.30 Uhr Erste Wiederholung mit Ergänzungen

22.00 – 22.45 Uhr Wiederholungen der Sendung von 19.00 – 19.45 Uhr[3]



Ende 1969 fielen die Sendungen der „Bruderparteien“ einer Programmkürzung zum Opfer.[4]

Das Grundgerüst der Programme bestand während der gesamten Lebensdauer des DFS 904 aus einer abwechslungsreichen Mischung von aktueller Schlagermusik und Wortbeiträgen. Die Musik wurde kurzerhand von Radio Luxemburg oder auch dem RIAS mitgeschnitten und dann wieder in die eigenen Programme eingefügt. Auch aktuelle Plattenkäufe in der BRD waren nicht selten. Da es in der BRD wohl eine Abmachung gab, daß die neusten Schlagermelodien erst einmal in den Plattenläden verkauft werden sollten, um Mitschnitte vom Rundfunk zu unterbinden, hatte der DFS 904 schon durch Nichtbeachtung dieser Abmachung einen Vorteil um die Hörergunst.[5]

Zwischen den Musikeinlagen gab es zumeist kurze Nachrichten und Informationen oder vermeintliche Agentendurchsagen, wie z.B.:

„Achtung, Achtung, wir rufen Kleingärtner. Zum Rasieren Rasenmäher benutzen. Ich wiederhole. Achtung, Achtung, wir rufen Kleingärtner. Zum Rasieren Rasenmäher benutzen. Ende der Durchsage.“[6]

„Achtung, Achtung, wir rufen Kräuterhexe. Wir brauchen dringend Baldrian. Ich wiederhole. Achtung, Achtung, wir rufen Kräuterhexe. Wir brauchen dringend Baldrian. Ende der Durchsage“[7]

Die sog. „Eidechsen“ waren jedoch nicht vermeintliche Agentendurchsagen, sondern ein reines Stilmittel, um die Konzeption des Senders als Geheimsender zu unterstützen. Die Redaktion dachte sich jeden Tag neue Eidechsen aus, um die Hörer an einer vermeintlichen geheimen Durchsage, die zumeist mitten in die Musik gesprochen wurde, teilhaben zu lassen und gleichzeitig zu unterhalten. War es wirklich einmal von Nöten, Genossen in der BRD zu warnen, wurden diese Informationen der Wichtigkeit wegen am Anfang der Sendung platziert, z.B. bei drohenden Hausdurchsuchungen. Dies stellte aber eine Ausnahme dar.[8]Ein weiteres Mittel, die angeblich erschwerten Arbeitsbedingungen den Zuhörern zu vermitteln, war das Verwenden eines Brummtons, der während einiger Sendungen über das Programm gelegt wurde, um somit die Bedrohung durch westliche Störsender zu demonstrieren. Auch unterbrach man in den ersten Jahren der Sendetätigkeit teilweise das Programm, um es kurz darauf mit dem Hinweis auf den Peilwagen der Bundespost, der sich dem ersten Sendestandort genähert habe, von einem angeblich zweiten Sendestandort weiterzuführen.[9]

Neben den Kurzinformationen und Musik waren u.a. Sendungen für die Bundeswehr, die Sendung „Hier spricht die KPD“ und „Aus Betrieb und Gewerkschaft – Sendung für die Bergarbeiter“ als längerer Beiträge feste regelmäßige Bestandteile des Programms des DFS 904.

Um jedoch einen tieferen Einblick in die Programmstruktur und Argumentationsweise des Senders nehmen zu können, bietet sich die Analyse eines längeren, zusammenhängenden Zeitraums an. Deshalb wird im folgenden Kapitel der zufällig ausgewählte Monat Oktober 1963 als ein solcher Zeitraum ausgewählt, um die Programminhalte des Senders näher bestimmen zu können.




Mobirise

Inhaltliche Analyse am Beispiel Oktober 1963 :



Als Grundlage der Auswertung gelten die Transkripte der Sendungen, die durch das Presse– und Informationsamt der Bundesregierung in ihrer Abteilung Nachrichten angefertigt wurden.[10] Diese stellen das tatsächlich gesendete Material dar und eignen sich daher am besten für eine inhaltliche Analyse. Allerdings wurden nur die Wortbeiträge mitgeschrieben.

- nur zur dienstlichen Verwendung -

Mitschrift 

Oktober 1963 - Das Programm

Musikeinlagen wurden nur mit kurzen allgemeinen Bemerkungen zum Stil der gesendeten Musik notiert. Im Gegensatz zu vielen anderen Rundfunkprogrammen dieser Jahre kann somit ausführlich der inhaltliche Wortanteil analysiert werden. Die meisten der mitgeschriebenen Beiträge des DFS 904 wurden im Volltext wiedergegeben, lediglich Wiederholungen sparte man beim Bundespresseamt aus. Andere, sich wiederholende Beiträge mit ergänzendem Inhalt wurden zusammengefaßt oder teilweise gekürzt wiedergegeben. So lassen sich problemlos die Hauptargumente sowie die Strategie des Senders für den zu beobachtenden Zeitraum herausarbeiten. Dies geschieht anhand der Hauptbeiträge des Programmes, dem täglichen „Kommentar“, der Sendung „Aus Betrieb und Gewerkschaft“, der Sendung „Hier spricht die KPD“, der „Sendung für die Bundeswehr“ und anhand der Quantität der Themen in den gesendeten Schlagzeilen.

Im Oktober 1963 meldete sich der DFS 904 täglich mit einer eineinhalbstündigen Frühsendung um 04:30 Uhr, sowie jeweils mit einer einstündigen Abendsendung um 19:00 Uhr und einer unregelmäßig langen zweiten Abendsendung ab 21:00 Uhr, die zwischen 22:30 und kurz vor 23:00 Uhr endete.

Das „Format“

Auch wenn es in den 50er Jahren Medienwissenschaftlern vermutlich als verfrüht erscheint, von „Formaten“ in der deutschen Rundfunklandschaft zu sprechen, verwendete der DFS 904 schon einige der Instrumente, die den Charakter und Wiedererkennungseffekt des Senders steigerten.

Da wäre vor allem die Schlagermusik als Mittel zu nennen, die Hörer an den Sender binden sollte. Zwischen den einzelnen Musikstücken wurden Kurzinformationen platziert, die sich der Hörer schon deswegen anhören mußte, da darauf weitere aktuelle Musik folgte. Viele der längeren Beiträge umfaßten eine auch heute im Rundfunk gerne verwendete Länge von etwa drei Minuten. Sie sollten die Hörer ebenfalls am Umschalten hindern und auch den nicht politisch interessierten Hörer der BRD nicht überstrapazieren. So kam eine fast ausgewogene Mischung von Wort- und Musikanteil von etwa fünfzig zu fünfzig zustande, wobei in der Frühsendung durchaus mehr Wert auf die Musik gelegt wurde. Nachteil dieser Vorgehensweise bei dreiminütigen Beiträgen war die Verknappung des Politischen auf die Kernpunkte, weshalb die Zeit für die Sendung Hier spricht die KPD, die als Anleitung der in der BRD befindlichen KPD-Anhänger gedacht war, zumeist länger war.[11]Feste Rubriken hatten ihre festen Sendeplätze. Im ersten Abendprogramm gab es einen täglichen Kommentar, die Sendung „Aus Betrieb und Gewerkschaft“ und das Programm für die KPD. Das zweite Abendprogramm startete mit der Sendung für die Bundeswehr. Die Frühsendung bestand aus Wiederholungen der Beiträge der Abendsendungen und aktuellen Ergänzungen.

Einschränkend muß natürlich erwähnt werden, daß die einzelnen Rubriken und Beiträge durchaus flexibel gestaltet wurden. Bei vermeintlich wichtigen Anlässen wurde die durchschnittliche Beitragslänge gekappt und mit wenig Rücksicht auf den gewohnten Programmablauf Reden und Kommentare von KPD- oder SED- Funktionären in vollständiger Länge wiedergegeben. Im Oktober 1963 war dies im Zusammenhang mit dem 65. Geburtstag Max Reimanns festzustellen.

Die Schwerpunktthemen des Oktober 1963 und ihre Darstellung in einzelnen Programmteilen

Als Schwerpunke der Sendungen für die KPD, der täglichen Kommentare und in den gesendeten Kurzinformationen und Nachrichten lassen sich für den genauer beobachteten Zeitraum die Themen finden: Vermeintliche Preiserhöhungen in der BRD, Nichtrespektierung der Verfassung der BRD durch die eigene Regierung, Nazivergangenheit von westdeutschen Politkern und Beamten, sowie die aus Sicht des Senders grundsätzlich zu ändernde Politik der Bonner Regierung für mehr Entspannung und Frieden. Inhaltlich drückt sich dies insbesondere an den die Öffentlichkeit in der BRD interessierenden Hauptdiskussionen Mietpreiserhöhungen in Altbauwohnungen, dem Skandal um den Bericht des westdeutschen Fernsehmagazins Panorama über Abhöranlagen und dem Rücktritt von Bundeskanzler Konrad Adenauer aus. Die Sendungen für Betriebe und Gewerkschaften und die Bundeswehr widmeten sich eher Themen, die speziell für diese Zielgruppe von Belang waren.

In den gesendeten Kurzinformationen und Nachrichten wurde dem Hörer täglich mehrfach von gestiegen Preisen diverser Produkte wie Milch und Kohle, sowie Mieterhöhungen berichtet. Zweithäufig waren Nachrichten über Proteste gegen den BRD-Innenminister Höcherl und Vorgänge im Ministerium für Verfassungsschutz, sowie über die nationalsozialistische Vergangenheit des Staatsekretärs Hans Globke. Weiterhin wurde der Hörer regelmäßig aufgefordert, Solidarität mit inhaftierten KPD-Anhängern zu zeigen und über Vorgänge innerhalb der DDR, insbesondere dem Nationalfeiertag und den Wahlen zur Volkskammer informiert. Dies kann man alles als Themen auffassen, die auch in der BRD diskutiert wurden. Betrachtet man allerdings die dazu ausgestrahlten täglichen Kommentare als ersten Komplex der inhaltlichen Analyse, wird schnell der Kampagnencharakter des DFS 904 deutlich.

Im täglichen Kommentar wurde der Rücktritt Hans Globkes im Sinne der SED wiedergegeben, die schon seit Jahren eine Kampagne gegen den Staatsekretär im Bundeskanzleramt Adenauers fuhr. Am 30. September 1963 meldete die dpa, daß Globke bei „Erreichen der Altersgrenze“ zurückgetreten sei.[12] Globke war seit Jahren umstritten durch seine Beteiligung im III. Reich an den Nürnberger-Rassegesetzen, für die er einen Rechtskommentar als Co-Autor verfaßte. Die DDR initiierte seit Anfang der 60er Jahre stärker als schon in den Jahren zuvor Kampagnen gegen westdeutsche Politiker und deren Rolle im III. Reich, sowie generell gegen die sich vermeintlich „refaschisierte“ BRD. Die Fäden hierfür liefen in der Westabteilung bei Albert Norden zusammen.[13] Höhepunkt war ein Schauprozeß gegen Globke, der in absentia vom Obersten Gericht der DDR am 23. Juli 1963 zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt wurde.[14] Am 1. Oktober lautet der Kommentar des DFS 904 zum Rücktritt Globkes daher auch:

„Globke ist zurückgetreten; nicht wegen Erreichen der Altersgrenze hat die rechte Hand Adenauers seinen Rücktritt erklärt. Dieser Globke mußte vorzeitig seinen Posten verlassen, weil es unmöglich war, ihn länger zu halten. Die Empörung über den millionenfachen intellektuellen Judenmörder zwang dazu, Globke fallen zu lassen.“[15]

Der Kommentar endete damit zu unterstreichen, daß Globke keine Gelegenheit bekommen dürfe, „in der geruhsamen Atmosphäre einer luxuriösen Villa versteckt“ weiter die Fäden der Politik zu ziehen. Es müsse auch seine Politik verschwinden, was für den DFS 904 hieß, alle von ihm im Staatsapparat eingebauten „SS – und Gestapoleute“ ebenfalls zu entfernen.[16] Besonders die im Verfassungsschutz eingebundenen ehemaligen SS-Angehörigen beschäftigten seit September die bundesrepublikanische Öffentlichkeit und damit auch den DFS 904. Am 28. August 1963 ließ das Bundesinnenministerium durch das regierungsamtliche „Bulletin“ die Öffentlichkeit wissen, daß nur etwa 2% des Gesamtpersonalbestandes des Verfassungsschutzes ehemalige SS-Angehörige seien und daher keine Gefahr bestehe.[17] Die westdeutsche Presse fand diese Aussage jedoch um so bedenklicher, da es sich eben um nicht eine beliebige Stellung in einer Behörde handelt, sondern um den Verfassungsschutz.[17]Der Skandal weitete sich im folgenden weiter aus, nachdem Bundesinnenminister Höcherl (CSU) zugab, eine Überwachung und Abhörung von Bundesbürgern, die ausdrücklich durch das Grundgesetz nicht erlaubt war, auf diesem Wege erreicht zu haben, daß die Alliierten um Hilfe gebeten wurden, denen dieses Recht durch den Besatzungsstatus eingeräumt war. Höcherl betonte zudem öffentlich, der Verfassungsschützer „könne nicht den ganzen Tag mit dem Grundgesetz untern Arm herumlaufen“. Die Hamburger Zeit kolportierte diesen Ausspruch in ihrer darauffolgenden Ausgabe, indem sie Verfassungsschützer als Leute beschrieb, „die den ganzen Tag zwar nicht mit dem Grundgesetz, wohl aber mit der SS-Blutgruppentätowierung unterm Arm umherlaufen“.[19] Schließlich sorgte noch ein weiterer Punkt über das Abhören für weiteren Wirbel: Das Fernsehmagazin Panorama berichtete über eine angebliche Abhöranlage im Bundestag. Die vermeintliche Abhörtaste, über die ein Panorama- Redakteur berichtete, entpuppte sich jedoch als eine vom Hörensagen entstandene Legende mehrerer Abgeordnete, welche die Taste als vermutete Abhöranlage zur Überwachung der Gespräche des Bundestages hochstilisierten. Tatsächlich handelte es sich um eine rein technische Überprüfungsmöglichkeit der Leitungen, die vor Inbetriebnahme der Fernsprechanlage 1957 wieder ausgebaut wurde. Der Autor der Sendung war dieser Legende jedoch auf den Leim gegangen. Ein mit einem Informanten von Panorama aufgezeichnetes Interview über die Vorgehensweise des Verfassungsschutzes beim Abhören bundesdeutscher Bürger ist daraufhin erst gar nicht ausgestrahlt worden. In der Folge mußte Rüdiger Proske, Leiter der Panorama-Sendung, abtreten.[20]Für den DFS 904 war dieser Skandal eine gefundene Steilvorlage und wurde ausführlich durch den Sender ausgenutzt. Am 1. Oktober forderte der Sender die sich ereifernden CDU-Politiker auf, ähnlich harte Worte wie gegen den Panorama-Redakteur auch gegen die SS-Leute im Verfassungsschutz zu verwenden. Der Kommentator kommt zum Ergebnis, daß

„wir uns selber entmündigen würden, wenn wir die Geschicke der Bundesrepublik weiter in den Händen dieser Leute beließen. Was wir im Grunde genommen nötig haben, ist ein bisschen Mut, um die Meinung der Bergarbeiter, Metallarbeiter, der Bauern, der Hausfrauen, die Meinung aller, die nicht mehr betrogen werden wollen, durchzusetzen.“[22]

Der Sender meldete nun täglich verschiedene Demonstrationen gegen die Vorgehensweise Höcherls und die Beschneidung der Pressefreiheit.

Am 5. Oktober 1963 zog der Sender alle sprachlichen Register, verallgemeinerte die Vorgänge um den Panorama-Skandal zu einer Gefahr für „Freiheit und Menschenwürde“ und bescheinigte Höcherl und der CDU/CSU versuchte „Gleichschaltung“.

„Die Jagd auf jede offene Meinungsäußerung hat in der Bundesregierung in den letzten Tagen einen neuen Höhepunkt erlebt. Die Redakteure der Fernsehsendung „Panorama“ sind hinausgeworfen worden, wie sie es wagten, die SS-Führer im Verfassungsschutz und ihre Methoden zu kritisieren. Heute sind es die „Panorama“-Redakteure, die abgeschossen werden. Und wer wird es morgen sein? Innenminister Höcherl, der Mann jenseits der Legalität, seine Partei, die CDU / CSU, sind es, die weitere Anschläge planen. Mit einer Kaltschnäuzigkeit ohnegleichen lassen sie verkünden, daß alle einschlägigen Sendungen des westdeutschen Fernsehens, die nicht völlig der Politik der CDU / CSU gleichgeschaltet sind, eingestellt werden. So sieht es mit der vielgepriesenen Freiheit und Menschenwürde, mit der Demokratie bei uns aus."

Der Kommentar endete mit dem „Blutgruppenzitat“ aus der Zeit, was die westdeutsche Presse als Vorlage für den DFS 904 deutlich macht.[22] Eine Woche später stellte der DFS 904 in den Kommentaren fest :

„Erst wenn wir uns von dieser Pest gesäubert haben, dann kann von der Achtung des Gesetzes überhaupt erst wieder die Rede sein.“[23]

„Die Briefe bekannter Persönlichkeiten der Bundesrepublik werden von den SS-Leuten im Verfassungsschutz kontrolliert und fotografiert. In Hotels und Pensionen werden Kleinsender eingebaut, die jedes Wort an die Abhörstellen weiterleiten. Ist das in Ordnung? Ist das kein Mißbrauch? Wenn das noch etwas mit Gesetz und Sauberkeit zu tun haben soll, dann steht die Welt auf dem Kopf. [...]“[24]

[...] Es muß Schluß gemacht werden mit den Notstandspraktiken, mit dem fortwährenden Bruch des Grundgesetzes. Die ganze demokratische Öffentlichkeit fordert: Dieser Höcherl muß weg! Er hat in der neuen Bundesregierung nichts mehr zu suchen.“[25]

Gründe für die „Einschränkung der Pressefreiheit“ sahen die Kommentatoren des DFS 904 im Antikommunismus der Bonner Regierung. Im Zusammenhang mit dem Prozeß gegen das Hamburger Wochenblatt Blinkfüer versah der Sender den leitenden Staatsanwalt mit einem „Dachschaden“:

„Jedes Mal wenn er die drei Buchstaben „KPD“ hört und liest, dann kriegt er einen Krampf. Dann starrt er wie hypnotisiert auf die drei Buchstaben. Der Antikommunismus ist in Bonn zur Staatsdoktrin erhoben worden.“[26]

Der Sender stellte in diesem Zusammenhang für seine Hörer fest, daß „jeder“ vom Antikommunismus bedroht sei und für Bundesregierung daher die ständigen Preiserhöhungen, Rüstungsmilliarden, Notstandsgesetze und Besetzung wichtiger Ämter mit ehemaligen SS-Leuten als Gegenwehr gerechtfertigt seien. Dabei sei aber die einzige Partei, „die unser Volk mit den Mitteln friedlicher Überzeugungsarbeit zu gewinnen sucht, verboten“.[27] Die Übergabe des Amtes des Bundeskanzlers von Adenauer an Erhard ohne große Veränderung der Politik hieß für den Sender in seinen Kommentaren „der Kalte Krieg, das Wettrüsten, das Jagen nach Atomwaffen soll weitergehen.“ Dabei stehe die Zeit auf Entspannung. Der Entspannung positiv gegenüber stehe die DDR, mit der man durchaus „reden kann“. „Jedem ehrlichen Politiker, jedem Sozialdemokraten und Gewerkschafter“ stehe diese Möglichkeit ebenso zur Verfügung.[28] Der Entspannung entgegenstehen würde daher auch hauptsächlich Adenauer, führte der Sender in einem weiteren Kommentar aus. Die Nicht-Anerkennung der DDR als „Realität“ veranlasse Adenauer, den Kalten Krieg auch gegen die eigenen Bürger zu richten, die sich für dieses Thema stark machten. Einzige Lösung sei daher, die DDR als Vorbild zu betrachten, die „weiterwachsen und gedeihen wird, so daß mit ihr verhandelt wird“.[29] Der Sender suggerierte damit seinen Hörern eine starke DDR als den Garanten der Entspannung. Die „gefährliche Außenpolitik der Bundesregierung ist bankrott“ und eine „Wiedervereinigung weit entfernt“, da Erhard die Politik seines Vorgängers fortsetzen möchte und Vorschläge zur Wiedervereinigung nur einseitig von Walter Ulbricht unterbreitet worden seien.[30] Trotz aller Versuche Adenauers sei die DDR am Ende seiner Amtszeit „stärker da denn je“. Der Westen könne „nicht mehr vom Sieg durch Atomkrieg träumen“, die Entspannung erfordere die „friedliche Koexistenz und die Anerkennung der friedlichen Forderungen der Arbeiterschaft“.[31] Erhard dagegen habe das Wort „Entspannung“ nicht einmal in seiner Regierungserklärung erwähnt[32], obwohl die Friedensbewegung immer stärker werde.[33] So kam der Sender zur Auffassung, daß es an der Zeit sei, in der BRD „die Demokratie wieder einzuführen.“[34] Dies erreiche man durch Einführung von Wahlen, wie sie in der DDR vorherrschten, betonte der Sender im Kommentar zu den stattfinden Wahlen zur Volkskammer der DDR. Dabei erfolgt wiederholenderweise auch gleich die Einbindung aller Vorteile, die man als Bürger der DDR habe:

„Morgen geht die Bevölkerung der DDR zur Wahlurne, um die Abgeordneten der Volkskammer zu wählen. Viele sagen, wir in der Bundesrepublik wählen ja auch, aber dadurch ändert sich ja doch nichts. Sie haben recht. In der Bundesrepublik müssen Arbeiter um jeden Pfennig Lohnerhöhung einen harten Kampf führen. Auch in der DDR könnte die Bevölkerung, obwohl sich ihre Parlamente, ihre Regierung ganz anders zusammensetzen als die der Bundesrepublik, mit dem Stimmzettel allein den sozialen und kulturellen Fortschritt, die ständige Hebung ihres Lebensstandards und vor allem die Sicherung des Friedens nicht erreichen. Das kann sie nur durch die enge Zusammenarbeit mit den Abgeordneten, mit ihrer Regierung. Die Wähler in der DDR haben in den Wählerversammlungen die Abgeordneten, die morgen gewählt werden, auf Herz und Nieren überprüft. Die Wähler der DDR werden morgen darüber abstimmen, ob die bisherige Politik so noch besser fortgesetzt werden soll. Sie werden mit ihrer Stimmabgabe zugleich ihren Willen für die Vorschläge ihrer Regierung, ihres Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht zur Verständigung beider deutschen Staaten, zur Sicherung des Friedens manifestieren.“[35]

In der Sendung für die Genossen im Untergrund, Hier spricht die KPD, erklärte die KPD-Führung Anfang Oktober ebenfalls die Vorteile des DDR-Wahlsystems. Ihrer Logik nach beschränkte sich die Beteiligung der Bürger im Gegensatz zu denen in der BRD nicht nur auf den Wahltag, sondern dauere die ganze Wahlperiode lang an. In der BRD seien aber die meisten Bürger vom politischen Leben ausgeschlossen und daher seien die Wahlen zur Volksammer der DDR „echte Volkswahlen“.[36] In den weiteren Sendungen für die KPD wurde die DDR ebenso ausschließlich positiv gewürdigt. Die DDR tue viel in sozialer Hinsicht für ihre Bürger, deshalb seien die Lebenshaltungskosten niedrig.[37] In einem etwa 15 – 20minütigen Beitrag, der die sonstige Länge der normalen KPD-Sendung sprengte, beglückwünschte das Mitglied des PB des ZK der KPD, Willi Mohn,

„die Bevölkerung der DDR, ihre Regierung, die SED, die in der Nationalen Front zusammengeschlossenen Kräfte zum 14. Jahrestag der Gründung der DDR. Wir wünschen weitere Erfolge beim umfassenden Aufbau des Sozialismus, der Stärkung und Festigung der DDR zum Wohle des Friedens und des Glückes unseres ganzen Volkes. Nicht nur für die Bürger der DDR, sondern auch für die Bauern, Arbeiter und alle Friedenskräfte in der Bundesrepublik ist das Bestehen der DDR von großer Bedeutung. Es ist ein Glück für unser ganzes Volk.“[38]

Mohn richtete im folgenden die bekannten Vorwürfe an die Bonner Regierung und stellte sie den Vorzügen der DDR entgegen: Imperialisten, Militaristen die nach Atomwaffen schreien auf der einen Seite, und auf der anderen Seite die DDR mit ihren positiven Eigenschaften wie „friedliche Koexistenz“, „Entspannung und Abrüstung“, oder „Abschaffung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen“, und Friedensstaat“.

Diese „schwarz-weiß-Liste“ ließe sich an dieser Stelle auf alle der im Oktober 1963 verwendeten Hauptargumente erweitern. KPD in Einheit mit SED unterbreiteten der BRD ständig Vorschläge, die von Bonn abgelehnt werden, so Mohn. Nur durch den Druck des Volkes auf die BRD-Regierung habe diese das Moskauer-Abkommen über einen Atomwaffenteststop unterzeichnet. Daher sei es Zeit, sich für eine „Versachlichung“ der Beziehungen der beiden Staaten einzusetzen.

„Nur ein solcher Weg führt über eine Konföderation zu einem vereinten, friedliebenden und demokratischen Deutschland. Die DDR zeigt durch ihr Beispiel allen Werktätigen der Bundesrepublik die Perspektive für das eigene Handeln. Sie weist unserem Volk den Weg zu einem glücklichen und friedlichen Leben“.[39]

Auch deshalb wachse das Ansehen der DDR in der Welt, während die BRD immer mehr als „Störenfried“ erscheine.[40] Regelmäßig wurden in der Sendung Hier spricht die KPD Themen der bundesdeutschen Gewerkschaften besprochen, wobei es um konkrete Ergänzungsvorschläge der Grundsatzprogramme ging. Vermutlich sollten die verbliebenen KPD-Anhänger in den Einzelgewerkschaften versuchen, Einfluß auf einzelne Passagen des DGB-Grundsatzprogramms zu nehmen.[41]Neben diesen konkreten Anleitungen standen dann aber wieder aktionistische Meldungen im Stile des DFS 904, um die KPD als eine Speerspitze gegen die soziale Ungerechtigkeit in der BRD darstellen zu können:

„Die Kriegsopfer in der Bundesrepublik sind verbittert. Durch die steigenden Lebensmittelpreise hat sich die Lage der Kriegsopfer erheblich verschlechtert. Für eine gerechte Erhöhung der Kriegsopferrenten hat die Bundesregierung kein Geld. Das braucht sie für die Aufrüstung. Deshalb sind die Kriegsopfer zu Aktionen entschlossen. Die programmatische Erklärung der KPD forderte daher die Herabsetzung der Rüstungslasten. [...]“[4

Die Rüstungslasten sind für die KPD auch Ursache für die nach dem Bundesminister genannten „Lücke-Gesetze“ gewesen. Am 14. August 1963 berichtete Der Spiegel über das „Gesetz über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und über ein soziales Miet- und Wohnrecht“. Für den 1. November 1963 war das Inkrafttreten beschlossen und vom Spiegel äußerst kritisch beurteilt worden. In 397 Landkreisen erfolgte die Freigabe von Mieten der Altbauwohnungen, bis zu 10 Millionen Betroffene mußten mit starkem Anstieg ihrer niedrigen Mieten rechnen.[43] Für den DFS 904 lagen die Gründe dieses Gesetzes in der immer mehr Gelder verschlingenden Rüstung der Regierung Erhard, wie Grete Thiele in der KPD-Sendung einen Tag vor Inkrafttreten des Gesetzes am 31. Oktober 1963 den KPD-Anhängern erklärte. Ähnlich wie bei dem Protest gegen die Krankenkassenreform sei es vor allem die Aufgabe der Gewerkschaften, sich gegen das Gesetz zur Wehr zu setzen. Die Kommunisten sahen sich darin in Übereinstimmung nicht nur mit den Gewerkschaften, sondern auch mit den Mieterorganisationen und vielen Mietern und forderten die Wiedereinführung des Kündigungsschutzes über den DFS 904.[44]

Meistens sind es ähnliche Appelle an legale Gruppen und Organisationen in der BRD, auf deren Vorgehen die illegale KPD durch die Sendung Einfluß zu nehmen gedachte, vermutlich auch aus realistischer Einschätzung der eigenen Anhängerstärke in der BRD. Bei der SPD beschränkte man sich in den KPD-Programmen zumeist darauf, die Genossen aufzufordern, dem „rechten Flügel“ der Partei kein Gehör zu schenken, da der die „Wirtschaftskonzeption der Kapitalisten“ unterstütze.[45] Dies stellte jedoch für den Sender ein grundsätzliches Dilemma dar, handelte es sich doch eigentlich um „revolutionäre Arbeit“ und Agitation, so daß dies auch zu heftiger Kritik von Seiten der SED führte, wie im Kapitel Wirkung beschrieben wird. Eindeutig revolutionär und kampfesmutig konnte man sich daher auch besser bei Jubiläen geben. Ende Oktober feierte Max Reimann seinen 65. Geburtstag und der Sender Max Reimann. Willi Mohn durfte sich über den Sender an die gemeinsame Zeit mit Reimann erinnern und beschrieb ihn nicht nur als „Patriot und Kommunist“, sondern auch als „glühenden Internationalist.“

„Er hat in unserer Partei fortgesetzt, was Ernst Thälmann jeden Kommunisten lehrte, daß die SU die Vorkämpferin der Menschheit auf dem Weg des Sozialismus-Kommunismus, die KPdSU die Vorhut der internationalen kommunistischen Bewegung ist. Aus dieser Überzeugung ergibt sich, daß Genosse Max in seinen Reden Militarismus, Chauvinismus, Nationalismus, Antikommunismus leidenschaftlich bekämpft und für Volkerverständigung und Völkerfreundschaft eintritt.“[46]

Josef Ledwohn, ebenfalls im PB der KPD, erläuterte dem Zuhörer des Senders die Fähigkeiten, die Reimann an die Spitze der Partei brachten:

„Vielleicht ist es wichtig zu wissen, daß Max das Leben versteht, den Kampf, weil er immer damit verbunden war mit ihm, seine politischen Entscheidungen weitab von dogmatischen Sätzen fällt. Dabei hat er sich ...(gestört) feste Grundsätze angeeignet, an denen er eisern festhält.[...] Ich will hier nicht eine lückenlose Liste der Eigenschaften des Genossen Max aufzählen. Aber unterstreichen will ich noch seine Treue, Verbundenheit mit der Arbeiterbewegung der ganzen Welt, seine unerschütterliche Zuversicht vom Sieg unserer Sache und seine nie erlahmende Energie. Bei aller Autorität, die Genosse [Max] in der Partei und in der Öffentlichkeit genießt, ist er doch ein einfacher Mensch geblieben[...]. Das ist einer der Gründe, weshalb ihm in großem Maße die Sympathien der Mitglieder unserer Partei und vieler Menschen aus allen Schichten der Bevölkerung zuströmen.[...]“[47]

Schließlich gab es von der KPD über den DFS 904 eine als Aufklärung über die Bonner Staatsorgane gedachte Reihe Aus den Stahlschränken der Geheimdienste – Eine Sendung der KPD über Spitzel, Agenten und bezahlte Arbeiterverräter, die als Serie im Oktober 1963 ausgestrahlt wurde und Dimension und Kosten, sowie die Funktionsweise der Sicherheitsbehörden der BRD aufdeckte, wobei zumeist langes Zahlenmaterial über einzelne Abteilungen gesendet wurde.[48]

Musikalisch wurden die KPD-Sendungen regelmäßig von Arbeiterkampfliedern umrahmt.

Der Beitrag Aus Betrieb und Gewerkschaft kann als konkrete Ergänzung des KPD-Programms empfunden werden, blickt man auf seine thematischen Schwerpunkte im Oktober 1963.

Neben Kommentaren zu Programmen der Gewerkschaften wandte man sich in den Beiträgen auch direkt an die Arbeiter einzelner Betriebe. Als die Henschel-Werke in Kassel die Akkordsätze veränderten, machte sich der DFS 904 zum Sprachrohr der Belegschaft und riet zu öffentlichem Protest.[49] Eine Woche später schob der Sender noch einmal nach und fragte polemisierend, was bisher nach seinen „Enthüllungen“ im Werk geschehen sei. Produktionsverbesserungen würden wegen Rüstungsvorhaben nicht realisiert, berichtete man in der Gewerkschaftssendung.

„Da ist es plötzlich Essig mit der ganzen schönen Wirtschaftlichkeit. Es kommt nichts in Gang wegen der Rüstungsaufträge. Statt Arbeitserleichterungen zu ermöglichen, ist es Sorge des Herrn Goergen [Name des Direktors, Anm. d. Verf.], ausgerechnet am gleichen Band, wo schon einmal Hitlers Pleite-Tiger-Panzer montiert wurden, heute Kanonenjagdpanzer für die Bundeswehr zusammenbasteln zu lassen. [...] Welche Möglichkeiten würden sich in Kassel bieten, wenn man statt stählerne Särge für die Bundeswehr zu bauen, freie Bahn schaffen würde für wirklich bessere Produktionsmethoden [...] Herr Georgen zieht es vor, sein bescheidenes Millionärstaschengeld als Aktionär und Direktor auf Kosten der Kollegen zu erhöhen. Die Henschel-Arbeiter haben deshalb allen Grund, über den Betriebsrat und die gewerkschaftlichen Vertretungen einen Strich durch diese Rechnung zu machen.“[50]

Ein weiteres Beispiel zeigt, daß es in der Sendung um die besondere Mobilisierung der westdeutschen Gewerkschaften ging. Nach einer fristlosen Entlassung eines Betriebrates in Baden-Württemberg berichtete der DFS 904 über die Klage der IG Metall vor dem Arbeitsgericht und möchte die Belegschaft überzeugen, „sich geschlossen für die sofortige Wiedereinstellung des Kollegen [...] einzusetzen.“[51] Einmal in der Woche wurde eine spezielle Sendung für Bergleute gesendet, die sich im beobachteten Zeitraum mit Grubenschließungen, Protesten spanischer Bergarbeiter und Ende Oktober dem tragischen Grubenunglück von Lengede befaßte. Von der Grubenleitung, von der Bundesregierung und der niedersächsischen Landesregierung wurde vom Sender gefordert, den geretteten Kumpel alle erdenkliche Hilfe zuteil werden zu lassen. Der abendliche Kommentar des Senders ging schärfer mit der Grubenleitung ins Gericht und nannte die „unternehmerische Haltung“ als Hauptgrund, warum es zum Unglück kam.[52]

Im Oktober fiel die regelmäßige Sendung Aus Betrieb und Gewerkschaft für eine Woche, vom 13.10 bis 20.10. aus. Vermutlich hatten die als Kollektiv arbeitenden Redakteure kein für sie interessantes Material gefunden, bzw. andere Dinge als wichtiger erachtet. Eine Sendung hing niemals von einem Redakteur ab, auch nicht die Gewerkschaftssendung. Scharfe Trennungen für einzelne Fachthemen gab es nie, nur grobe Zuweisungen für einzelne Bereiche. Adolf Broch erinnert sich, als ehemaliger Betriebsrat sowohl Gewerkschaftssendungen, als auch Bereiche der Innenpolitik abgedeckt und Beiträge für die Bundeswehr und KPD-Sendung geliefert zu haben. Bei Vorgängen in Düsseldorf war dann Adolf Broch als Kenner der Region gefragt, um Beiträge im Düsseldorfer-Tonfall zu bringen. Am beliebtesten war unter den Redakteuren der Sendeteil, mit dem die zweite Abendsendung regelmäßig startete. Die Sendung für die Bundeswehr war es, die den Sender auch am bekanntesten machte und bei der die Redakteure so „richtig auf den Putz hauen“ konnten.[53]

Die Sendung für die Bundeswehr

Nach dem „Zapfenstreich“ meldete man sich mit diesem Programmteil speziell für die westdeutschen Soldaten. Umrahmt von den neusten Schlagern gab es einen etwa fünfminütigen Beitrag, der zumeist über die für den Sender skandalbehafteten Zustände in bundesdeutschen Kasernen berichtete. Die Sprache wurde bewußt salopp gehalten, man sprach die Soldaten im Umgangston an, eine Methode, der sich auch schon die Soldatensender im zweiten Weltkrieg bedienten.

„N’Abend, Kameraden. Ich wünsche Euch einen angenehmen Sonntagabend. Morgen geht der normale Wochendienst wieder los, und darum ist jede Stunde der Entspannung heute wertvoll. Eines aber möchte ich Euch noch für die nächsten Tage mit auf den Weg geben. Seid vorsichtig, Jungs.[...]“[54]

Inhaltlich wurde die Glaubwürdigkeit der Bundeswehrführung massiv angezweifelt, was stark mit der Einbindung ehemaliger führender Wehrmachtsangehöriger in die neue Armee zusammenhing. In den Sendungen wurde daher die Bundeswehrführung als bewußte Übertreter des geltenden Rechts dargestellt und dies auf agitatorische Weise an konkreten Beispielen festgemacht.

In einem Fall wurde ein Soldat zu einer Geldstrafe bei einem angeblich von ihm nicht verursachten Verkehrsunfall verurteilt, für den Sender der Beweis, daß „Macht vor Recht gilt“ und den Soldaten das Wehrgeld aus der Tasche gezogen werden soll. Sprachlich wurde dabei alles in einem vertrauten, fürsorglichen Ton gehalten.[55]

Die sonstigen Themen der Sendung für die Bundeswehr beschäftigen sich im Oktober 1963 u.a. besonders mit dem Beschwerderecht für Soldaten der Bundeswehr, Manöver- und Ausbildungsunfällen, schlechter Ausrüstung und der Bundeswehrleitung. Generelles Ziel ist dabei, dem Bundeswehrsoldaten aufzuzeigen, daß er unnötig für eine falsche Sache verheizt wird.

Die Serie über das Beschwerderecht begann am 30. September 1963 mit der Aufklärung der Soldaten über ihre Rechte laut Beschwerdeordnung. Dabei wurde der Anstieg von Beschwerden innerhalb der Bundeswehr zum Anlaß genommen, sich diesem Thema ausführlich zu widmen.

„Die Devise, ein guter Soldat gehorcht und beschwert sich nicht, stimmt heute nicht mehr.[...] Wir schlagen Euch deshalb vor, in Fällen, wo es Beschwerden gibt, und die häufen sich ja in der letzten Zeit ständig, Euch sowohl an den Wehrbeauftragten als aber auch an die Öffentlichkeit zu wenden. Das ist um so notwendiger, um endlich mit den ständigen Schikanen und menschenunwürdigen Methoden gegenüber den Wehrpflichtigen Schluß zu machen.“[56]

In der Sendung vom 7. Oktober wurde dann die Beschwerdeordnung noch einmal aufgenommen und die Soldaten darin erinnert, daß eine Beschwerde innerhalb von 14 Tagen zu erfolgen habe. Man empfehle den schriftlichen Weg, so der Sender, um Durchschläge des Briefes auch an die Öffentlichkeit bringen zu können. Es folgte darauf eine Beispiel über einen Ausbilder, der seine Rekruten schikanierte und deswegen, allerdings erst Monate später, von einem Gericht zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt wurde. Der Sender ermahnte daher die „Jungs“, zügiger Beschwerden in die Öffentlichkeit zu tragen. Der öffentliche Druck ermögliche dann auch eine härter Bestrafung von „Menschenschindern“.[57] Am darauffolgenden Tag erfolgte dann Teil III, agitatorisch sehr geschickt, da so der Soldat erst einmal die Sendung vom Vorabend reflektieren konnte. Es wurden noch einmal eindringlich die Schikanen des Ausbilders beschrieben, um dann die Situation zu verallgemeinern:

„Ja, Kameraden, und das alles geschieht in der Bundeswehr unter den Augen der Ausbildungsoffiziere, um nicht zu sagen, unter der Anleitung der Offiziere. Solche Ausbilder sehen die Offiziere gerne in ihren Reihen. Aber, Jungs, laßt Euch das nicht länger gefallen. Tretet an die Öffentlichkeit. Prangert solche Mißhandlungen als das an, was sie wirklich sind, nämlich nach § 31 des Wehrstrafgesetzes „entwürdigende Behandlung“.[...]“[58]

Die Führung der Bundeswehr war konsequenterweise regelmäßig Zielscheibe der Sendung. Teilweise wurde behauptet, Soldaten hätten sich sorgenvoll an den DFS 904 gewendet, um Auskunft über einen neuen Befehlshaber zu bekommen.[59} Immer wieder „klärte“ der Sender auf, daß es ehemalige Nazigeneräle seien, die jetzt in der Bundeswehr vom Atomkrieg „träumten“.[60]

Ebenso wurde regelmäßig über minderwertiges Material in der Bundeswehr berichtet, das dann zu Flugzeugabstürzen oder Manöverunfällen führte. Hier entpuppte sich als Informationsgeber wiederum einmal mehr die westdeutsche Presse. Der Spiegel berichtete am 26. September 1963 in einem längeren Bericht über schlechte Panzerketten, deren Kettenpolster sich lösten und im vorliegenden Fall durch die Scheibe eines Zivilautos schlugen und dabei ein Schulmädchen töteten. Ein Prozeß gegen den verantwortlichen Fahrer verlief negativ, da es sich um Materialfehler handelte. Das Magazin berichtete von schon mangelhaften Einkauf seitens des Verteidigungsministeriums.[61] Diese Vorlage hat sich der Sender darauf auch nicht entgehen lassen. Für den Sender flogen, die Sache bewußt verschärfend, die Gummiketten bei Manövern mit „geschoßartiger Geschwindigkeit“ durch die Gegend. Verdanken hätten die Soldaten die schlechten Ketten „den Machenschaften Strauß`s“, der den Auftrag zur Herstellung an eine befreundete Firma vergab.

„So werden bei der Bundeswehr Geschäfte gemacht, Geschäfte mit Eurem Leben, Jungs, denn im Ernstfall, das ist doch wohl klar, ist ein Panzer, der mit Kettenschaden im Gefecht liegen bleibt, der sichere Untergang für seine Besatzung. So, und jetzt dürft ihr raten, Jungs, warum dieser Kettenskandal in der Bundeswehr regelrecht als eine Art geheime Kommandosache behandelt wird, über die niemand reden darf. [...]“[62]

Dem Soldaten der Bundeswehr sollte so nicht nur die Sinnlosigkeit seines Dienstes vor Augen geführt werden, sondern auch die Chancenlosigkeit. Die Panzerketten wurden am Ende des Monats noch einmal aufgegriffen und wie immer bei Wiederaufnahme eines Thema in einen allgemeineren Zusammenhang gestellt.

Die Sendung enthielt einen Bericht über einen Flugzeugabsturz eines Bundeswehr-Düsenjets und berichtete auch über serienmäßige Ausfälle von Panzern:

„Erinnert Ihr Euch? Bei den Panzern der Bundeswehr und auch bei den der anderen Nato-Partnern bei uns produzierten Panzern flogen die Ketten durch die Luft. Man kann wirklich sagen, Kamerad, komm per Fahrrad, das ist sicherer. Von wegen NATO, NATO über alles, kann wohl hier nicht mehr die Rede sein. Das alles geschieht, wie gesagt, im Manöver. Und wenn es einmal Ernst wird, dann sind die Panzer Särge die rollen, die Flugzeuge – Särge, die fliegen und unsere U-Boote – schwimmende Särge. Da kann man nur noch sagen, wir stehen auf verlorenem Posten.“[63]

Bei soviel Schikane in der Bundeswehr mußte der DFS 904 von Zeit zu Zeit auch einmal Alternativen aufzeigen. Dies geschah im Oktober 1963 anhand eines Berichtes von „drüben in der DDR“. Von der Nationalen Volksarmee wurden die ersten Wehrpflichtigen entlassen, die ihren achtzehnmonatigen Wehrdienst abgeleistet hatten. Der Sender schilderte die harmonischen Abschiedsfeiern und beschrieb die fürsorgliche Behandlung durch die Armee auch nach der Entlassung, die sich u.a. durch Wiedereingliederung in die Berufswelt ausdrücke. Natürlich gebe es auch Einheiten in der BRD, die „als gute Kameraden“ auseinander gingen.

„Aber die Fälle, wo die Wehrpflichtigen am letzten Tag besonders ihre Abneigung gegen bestimmte Offiziere zum Ausdruck brachten sind nicht selten. [...] Wie gesagt, Kameraden, das sind Erscheinungen,, die Euch veranlassen sollten, einmal darüber nachzudenken. Macht’s gut, dann bis morgen abend um die gleiche Zeit.“[64]

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1: vgl. Fricke, S.474 f.; vgl. Helmut Bergmann: Freiheitssender – und Soldatensender – eine deutsche Episode. In: Funk Amateur 4-01, S. 376 f.; vgl. auch Feature DLRADIO.

2 vgl. Scheer, Roter Schwarzfunk, S. 18. Scheer nimmt Bezug auf einen Artikel in einer Kurzwellen Klub-Zeitschrift, in der sich ein Hörer in Brake/Unterweser zu diesem Thema äußert.

3 Dieser Hinweis stammt von Helmut Bergmann.

4 laut Interview mit Adolf und Christa Broch. Christa Broch stellte allerdings eine Ausnahme dar: Sie kam als Mitglied der FDJ zum Sender, wurde nach zwei Jahren in die SED aufgenommen, um darauffolgend aus Proporzgründen zwischen Arbeiter und Angestellten wieder ausgeschlossen zu werden.

5 vgl. ebd.

6 vgl. Gerd Scharnhorst: „904“ ruft Steckenpferd. Nicht aus Westdeutschland, sondern aus Ost-Berlin – Pirat auf Funkwellen. Die WELT vom 14.08.1960. (SAPMO-BArch BY1/2303–ohne Blattzählung)

7 vgl. Priess, S.282.

8 SAPMO-BArch BY1/2312. 28. 04.1960. Das Zahlenverhältnis läßt jedoch kein Rückschluß auf die Gewichtung der SED zu, da diese hauptsächlich die technische Seite stellte.

9 vgl. ebd. 20.10.1958.

10 ebd.

11 vgl. SAPMO-BArch BY1/2312 vom 28.04.1960.

12 vgl. Priess, S.283.

13 vgl. SAPMO-BARCH BY1/2312 vom 20.3.1958.

14 vgl. ebd. BY1/2600 Sitzungen des PB der KPD, keine Blattzählung. 19.9.1962.

15 vgl. Unsere Zeit (UZ) 20.4.2001. http://www.unsere-zeit.de/3316/s0202.htm. Carlebach äußerte sich nie öffentlich zu seiner Arbeit beim DFS 904.

16 Dies teilte mir Adolf Broch im Interview mit: „Die Parteiführung ging immer davon aus, daß der `liebenswerte Halunke` Alleingänge macht. Deshalb konnte er nicht da Chef sein, obwohl er im Grunde genommen die größte Autorität hatte.“

17 vgl. Wer war wer in der DDR? S. 400f.; vgl. SAPMO-BArch DY30/ J IV 2/2/661, Blatt 6. Politbüro Sitzung der SED 37/59 vom 28.7.1959. Adolf Broch konnte sich nicht erinnern, Jungmann beim Sender gesehen zu haben und vermutet auch eine Art Wiedergutmachung.

18 vgl. Priess im DeutschlandRadio.

19 Dies teilte mir Adolf Broch mit.

20 Genosse Heinz (vermutlich Heinz Priess) in der Parteiversammlung vom 11.7.1959. SAPMO-BArch BY1/2312.

21 vgl. SAPMO-BArch BY1/2312.

22 vgl. DeutschlandRadio; vgl. Klarnamen-Schlüssel in Findbuch SAPMO- BArch BY1/Band2/S.280-283. Adolf Broch teilte mir mit, daß man sich die Namen selber aussuchen konnte.

23 Heinz Priess auf der Parteiversammlung vom 9.11.1957. SAPMO-BArch BY1/2312. Die Diskussion ging u.a. über die Arbeitsbedingungen. Viele der Mitarbeiter wohnten quasi hauptsächlich im Objekt, was natürlich auch zu Reibereien führte.

24 vgl. ebd 11.7.1957.

25 so Adolf Broch im Interview. Auch Heinz Priess äußerst sich dazu, daß insbesondere die Vorgänge in der CSSR eine starke Belastung bei der Erklärung der KPD-Linie darstellten. vgl. Priess, S.305.

26 Thomas (Erich Glückauf) in der Vorlage über die Bedeutung, Rolle und Aufgaben des Deutschen Freiheitssenders 904 vom 24.11 1968. SAPMO-BArch BY1/2927, Politbüro der KPD. 



Konspiration:

1 vgl. Priess, S.276.

2 vgl. Wer war Wer in der DDR? S.557.

3 vgl. Priess S. 277. Es ist jedoch durchaus möglich, daß der Beschluß deswegen im SAPMO-BArch nicht aufzufinden war, weil es sich um eine reine Verabschiedung einer protokollarisch nicht näher erläuterten Vorlage in den Akten des PB der SED handelt.

4 vgl. ebd.

5 laut Interview mit Adolf u. Christa Broch.

6 SAPMO-BArch DY 30/IV 2/9.02/5/ Blatt 142.

7 vgl. Wer war Wer in der DDR?, S.808.

8 vgl. Priess, S. 279; 282. Allgemein läßt sich über die finanzielle Ausstattung über diese Information hinaus, wie auch schon zuvor angemerkt, nichts feststellen.

9 vgl. SAPMO-BArch DY30/ IV 2/6.05/81 Blatt 6-11.

10 vgl. Priess, S.281.

11 ebd. S.282 f.

12 SAPMO-BArch BY1/2927. Thomas (Erich Glückauf): Vorlage über die Bedeutung, Rolle und Aufgaben

Fotos der Standorte: Radiomuseum Köln e.V. - Vielen Dank




Reaktionen

Wirkung des DFS 904 – Hörerreaktion und Einflussnahme von außen

Unzweifelhaft ist eine Beeinflussung der BRD durch die Sendungen des vermeintlich geheimen DFS 904 erreicht worden. Möchte man diese jedoch beschreiben, bedarf es vorab wiederum einiger Überlegungen zu den Quellen, anhand dies geschehen soll. Wie sind die Rückmeldungen zu den Programmen von verschiedener Seite aus zu gewichten?

Von offizieller Seite der BRD ist nur wenig aufzufinden gewesen. Indirekt jedoch zeigt das eifrige Transkribieren der Sendungen, daß man in den BRD-Staatsorganen durchaus wissen wollte, welcher Inhalt über den DFS 904 gesendet wurde. Ob Reaktionen von staatlicher Seite der BRD auf Sendungen des DFS 904 Auswirkungen in der inhaltlichen Gestaltung der Sendungen hatten, kann jedoch so gut wie ausgeschlossen werden. Der Sender hätte dies auch eher als weiteren Ansporn auf seinem inhaltlichen Weg aufgefaßt. Diese Reaktionen sind auch eher auf einer höheren Ebene zu bewerten. Als sich Ende der 60er Jahre die beiden deutschen Staaten annäherten, war auch für den DFS 904 mit seinen unbequemen Programmen kein Platz mehr.

So sind Reaktionen von staatlicher Seite der DDR aus als zu bewertende Steuerinformation schon deshalb wichtiger, da der Sender auch in deren Machtgefüge agierte. Hier sind einige Dossiers erhalten, die einen guten Einblick in die Auffassung des DDR-Staatsapparats zum DFS 904 enthalten.

Ein weiterer Komplex im Feedback, das der Sender bekommen hat, sind Hörerreaktionen. Diese sind allerdings nur auf wenige Jahre beschränkt, da der Sender erst in den letzen Jahren ab 1967 eine Postfachadresse in Wien bekannt gab.

Die interne Bewertung und der Umgang mit der Hörerpost lassen jedoch gute Rückschlüsse zu. Ergänzend kann man Berichte von illegalen westdeutschen KPD-Gruppen hinzufügen, die zur Anfangsphase des Senders der Parteileitung ihre Auffassung über die Programme des Sender zukommen ließen.

Ein letztes Kapitel im Wirkungskomplex wird der öffentlichen Meinung in Westdeutschland zu widmen sein. Das Zeitungsarchiv des DFS 904 über Artikel zum Sender in der westdeutschen Presse kann ebenfalls gut bei einer Bewertung mit einbezogen werden. Grundsätzlich muß jedoch auf die Empfangsbedingungen des DFS 904 vorab eingegangen werden, diese waren natürlich wichtigste Vorraussetzung zu einer Massenwirksamkeit. Hierbei mangelte es jedoch schon gewaltig. Zwischen zwei starken Sendern aus Mailand und London eingequetscht verursachten die Sendungen des DFS 904 in vielen Regionen des Hauptzielgebietes BRD ein nervtötendes Pfeifen, welches durch die Überlagerung der Modulation mit den benachbarten Sendern zustande kam. In der Mitte und im Süden der BRD war der Empfang sehr dürftig, ebenso im Ruhrgebiet. Lediglich im Norden der Republik und natürlich in der Reichweite der Bodenwelle, also der direkten Welle des Senders, war der Empfang gut.[1] Seltsamerweise war in den Urlaubsgebieten Italiens der Empfang besser und der Sender war stärker als der im Norden stationierte Sender Mailand, wie Urlauber dem DFS 904 berichteten.[2] In Berlin war der Empfang des Senders auch nur unter erschwerten Hörbedingungen möglich, vermutlich einer der Hauptgründe, warum nicht häufiger Programmanalysen von SED-Seite angefertigt wurden. Es war den Genossen der SED vermutlich einfach zu mühsam, sich dem Pfeifen auszusetzen, um die Sendungen abzuhören. Nur bei einem der seltenen Ausfälle des Senders Burg wurde ersatzweise der Sender Königs-Wusterhausen angeschaltet, damit die Sendung nicht ausfiel. Dies ermöglichte dann zur Freude der in Berlin wohnenden Redakteure einmal guten Empfang des DFS 904.[3]Die KPD-Führung reagierte auf diese schlechte Ausgangsbasis für eine große Wirksamkeit des Senders, wenn auch vergebens. Nachdem sich Beschwerden der westdeutschen Genossen, insbesondere aus Bayern , Süd-West, Niedersachsen und besonders Rheinland-Pfalz, über die schlechten Empfangsmöglichkeiten häuften, beschloß das KPD-PB Vorschläge für die Verbesserung des Empfangs u.a. direkt an Walter Ulbricht anzutragen. Die insgesamt drei Vorschläge, weitere Sendeanlagen auf 904 kHz dazuzuschalten, einen anderen Strahler, z.B. des Deutschlandsenders, der in der BRD besser zu empfangen war, anstatt des in Burg befindlichen zu benutzen oder sogar UKW-Sendungen einzurichten, wurden jedoch nicht realisiert.[4]Allerdings waren die Vorschläge auch nicht besonders hilfreich, da der Empfang vorrangig ein Problem der Frequenz und nicht der Strahler war, sowie UKW-Sendungen nur sehr eingeschränkt in der BRD zu hören gewesen wären. Dies minimierte schon einmal die mögliche Wirksamkeit des Senders, jedoch riefen die Sendungen Reaktionen in den staatlichen Stellen hervor, die ursächlich mit dem Inhalt der Programme zu tun hatten.

REAKTIONEN DER STAATLICHEN SEITE

- in der BRD

Der Deutsche Bundestag beschäftigte sich ab 1960 mehrmals mit dem DFS 904, entweder bei kleinen Anfragen im Zusammenhang mit den Rundfunkausstrahlungen der DDR in Richtung Westen, oder bei Debatten zwischen Regierung und Opposition, in der der Sender als Ursprung irgendeines Gerüchts genannt wurde.

In der Spiegel-Fragestunde im Bundestag am 8.November 1962 erklärte der damalige Bundesminister für Verteidigung im Zusammenhang mit dem Vorwurf, daß einige der Gutachter bezüglich einer Bewertung des Nachrichtenmagazins ehemalige SS-Führer seien:

„Ich habe auch festgestellt woher eine solche Behauptung stammen könnte. Wir haben umfangreiches Material geprüft. Wir sind dabei darauf gekommen, eine Propagandaquelle, nämlich der Sender 904 vor kurzem einen Gutachter, einen Oberstleutnant angegriffen, ihn als SS-Führer bezeichnet und dagegen Stellung genommen hat, daß ein solcher SS-Führer als Sachverständiger vor Gerichten aufgetreten sei.“[5]

Der Sender schien für Strauß eine gewisse Wichtigkeit zu haben, wie auch aus einer außenpolitischen Debatte des Bundstags vom 25.2.1970 hervorgeht:

Strauß: „Man kann doch nicht erwarten, daß es so nebensächliche Stimmen wären, wenn Herr Honecker spricht, wenn Herr Spychalski spricht, wenn der Sender 904 spricht. Das sind doch nicht, das sind doch nicht freiheitliche Organe, in denen die vom Recht der Pressefreiheit Gebrauch machenden Redakteure ihre private Meinung ausdrücken, aber wenn der Sender 904 vor wenigen Tagen hohnlächelnd erklärt, man soll nicht immer von Ausloten reden, man soll endlich einmal so zu sagen Butter bei die Fische, würden Sie sagen, Herr Wehner. Man soll endlich einmal Farbe bekennen, ob man bereit ist, die Realitäten anzuerkennen. Das Gerede von ausloten, sondieren und explodieren das hätte überhaupt keinen Sinn mehr. Die Karten lägen ganz klar auf dem Tisch. So oder oder, das wäre die einzige Alternative.“

Zwischenruf von Herbert Wehner: „Für die nächste Woche haben die wieder Stoff, Herr Strauß“.

Strauß: „Ja“[6]

Wehner selbst, in Funktion des Bundesministers für gesamtdeutsche Frage, schien dem Sender ebenso eine Rolle beizumessen und benutzte ihn im Bundestag bei einer Rede als Beispiel bezüglich der Wortwahl der Opposition: Die „Gegenseite“ verwende eine ähnliche Wortwahl, man höre dies auch beim Sender 904.[7]

Das Auswärtige Amt sah sich 1966 mit einer Anfrage des italienischen Parlamentsabgeordneten Franco Pezzino konfrontiert, in der dieser nachfragte, ob es richtig sei, daß der Volkswagenkonzern plane, 2000 italienische Gastarbeiter zu entlassen. Diese „Massenentlassungen“ seien durch 904 propagiert worden, wie der Unterstaatssekretär des Auswärtigen Amtes in seinem Antwortschreiben an das italienische Parlament versicherte. 904 hatte den italienischen Abgeordneten mit der für den Sender typischen Vorgehensweise verwirrt. Laut Aussage des Auswärtigen Amtes hätten viele der Italiener auf eine Verlängerung ihres Arbeitsvertrages verzichtet oder seien nicht mehr auf der Arbeit erschienen. Vom Sender wurde dies natürlich anders dargestellt.[8]

Auch die Bundeswehr reagierte auf die ständigen Zersetzungsversuche des Senders und informierte in regelmäßigen Abständen ihre Soldaten. Vermutlich war man sich eben doch nicht darüber sicher, wie stark die Sendungen bei den Soldaten Wirkung zeigten. Daher wurde den Soldaten neben den Aufgaben des Senders die demokratische Grundordnung der Bundesrepublik zu untergraben, der Zweck der Beeinflussung in der Sendung für die Bundeswehr erläutert. Es gelte für den Sender die Kampfkraft der Bundeswehr zu schwächen und „sie bei den Partnern als Rache-Instrument vertrauensunwürdig zu machen.“ Den Soldaten werde suggeriert, eine Verteidigung machen überhaupt keinen Sinn, daher sei Desertion ein guter Ausweg. Erreicht werde dies zusätzlich durch die Verleumdung der Bundeswehrführung und die vielen Darstellungen von Unfällen, Schikanen und der Behauptung, die Bundeswehr bilde für den Atomkrieg aus. Immer wieder werde betont, die BRD plane den Angriffkrieg. In den Programmen entstehe dies besonders durch „kunterbuntes Mischen“ von Faktoren wie „Übertreibung, Verleumdung, Verdächtigung, Auslassung und Appelle an das Gefühl“, klärte man die Soldaten auf.[9] Der gleiche Wortlaut wurde den Soldaten der Bundeswehr auch in den „Informationen für die Truppe“ präsentiert, unter Betonung, daß der Sender eben nichts mit dem Begriff „Freiheit“ zu tun habe.[10]

Ein im Bundeshaus in Bonn ansässiger „Industriewarndienst“ übernahm eine ähnliche Funktion für die BRD-Wirtschaftsunternehmen. Veränderungen in der Vorgehensweise des DFS 904 wurde an die Mitglieder weitergeben. Der Sender habe unter Benutzung fingierter Adressen bei westdeutsche Firmen angerufen und ihnen Werbezeit angeboten. Dies habe jedoch nur den Zweck, die Hörerzahl des Senders zu steigern. Tatsächlich gebe es höchstens Werbebotschaften nach dem Beispiel „Peter Stuyvesand – der Duft der großen, weiten Welt. Welch ein Gegensatz zum kleinliche Mief der Hall-Stein-Doktrin (904 am 11.7.65)“ zu hören.[11]

Schließlich können noch zwei kleinere Vorgänge im Bundesinnenministerium Auskunft über die Einschätzung der DDR-Agitation in Richtung BRD geben, die den DFS 904 mitberücksichtigten.

In einer kleinen Anfrage der Fraktion der FDP vom 7. Juni 1961 wurde der damalige Innenminister Gerhard Schröder aufgefordert, Stellung zum Thema Rundfunk- und Fernsehkapazität der „Sowjetzone“ zu nehmen. Die Fraktion fragte, ob es der Bundesregierung bekannt sei, „daß die Sowjetzone mit 19 Mittelwellensendern, mit dem „Deutschlandsender“, dem sogenannten „Freiheitssender“ [...] ungestört [was beim DFS 904 nicht der Fall war, Anm. des Autors] das ganze Bundesgebiet erreicht“ und was dagegen von Seiten der Bundesrepublik, auch rundfunktechnisch, unternommen werde.[12]

In seiner Antwort vom 14.Juli 1961 kam Innenminister Schröder zu folgender Einschätzung:

„[...] Die gegen die Bundesrepublik gerichteten Propagandasendungen des sowjetzonalen Rundfunks bedeuten eine erhebliche Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung in der Bundesrepublik. Die Bundesregierung hat diese Gefahr frühzeitig erkannt und sich seit langem bemüht, ihr wirksam entgegenzutreten.[...]“[13]

Der DFS 904 wurde im Antwortschreiben allerdings nicht explizit genannt. Dagegenhalten wollte man in Bonn mit dem neu gegründeten „Deutschlandfunk“, auch die „Deutsche Welle“ werde eine Programmaufstockung bekommen, versicherte Schröder.[14]

Dieses nach außen und für die Öffentlichkeit bestimmte Schreiben steht jedoch in seiner Aussage bezüglich der vermeintlichen Gefahr im Widerspruch mit einem zu späterem Zeitpunkt 1967 verfaßten, ausschließlich für den internen Gebrauch bestimmten Dossier der gleichen Behörde, die zu einem anderen Ergebnis kommt. Der SED-Westabteilung ist es gelungen, an eine Kopie zu kommen, die sich im SAPMO wiederfand. Darin kommt man trotz dem ständigen Versuch, u.a. durch den DFS 904, „die Bevölkerung der Bundesrepublik kommunistisch zu beeinflussen und die Bundesrepublik herabzusetzen“ und der ständigen Korrespondenz des DFS 904 mit den ausländischen Hörern im Ergebnis zu einer internen Bewertung, die dem äußern Bild doch etwas widersprach:

„VI. Insgesamt konnten die deutschen und ausländischen Kommunisten auch 1966 die innere Sicherheit der Bundesrepublik nicht ernstlich beeinträchtigen“[15]

Inhaltliche Analysen des Senders waren, wie schon beschrieben, nicht aufzufinden, wären jedoch vermutlich beim Amt für Verfassungsschutz anzusiedeln. Öffentlich geschah dies aber trotzdem, nämlich in der Presse der BRD. Auf östlicher Seite aber rief der Sender bei den staatlichen Stellen ebenso einen teilweise bizarren Eifer hervor, der sich auf Programmkritik konzentrierte.



Reaktionen in der DDR



Begeistert wurde die Idee des DFS 904 zur Zersetzung der Bundeswehr aufgenommen bzw. von der SED vorgeben. Vermutlich auch die Popularität bei den Bundeswehr Soldaten, bei denen die Sendung hauptsächlich wegen der Musik gut ankam, entschloß sich die SED-Führung zur Installierung eines eigenen Senders, der ausschließlich auf diese Zielgruppe ausgerichtet war und fast identisch wie der DFS 904 methodisch vorging: Den Deutschen Soldatensender 935 (DSS 935). Im Gegensatz zum DFS behauptete der DSS 935 in seinen Sendungen nie aus der BRD zu senden. Zwar gab es eine Postadresse „Werner Schütz, Postfach 116, Berlin W8“, diese lag aber nicht im Westsektor der Stadt, sondern nahe des ehemaligen Reichspostamtes im Ostteil der Stadt, wie sich unter den Rundfunkhörern schnell herumsprach.[16] Der DFS 904 war wenig begeistert von der Konkurrenz, die sich von Oktober 1960 an seine Seite gesellte, mußte man sich doch die Sendeanlage mit der Station in Burg teilen, so daß keine Sendezeit mehr überzogen werden konnte. Vor Programmstart des zeitlich leicht versetzt sendenden DSS 935 mußte der Sender auf die neue Frequenz umgestimmt werden. [17]

Ende 1961 und Anfang 1962 kam der DFS 904 wegen seiner Sendungen ins Visier des Arbeitsbüros des ZK der SED und des PB Mitglieds und Initiator des Senders, Hermann Matern. Das 19 Seiten starke Dossier über den Sendezeitraum vom 27.11. bis 17.12.1961 wurde u.a. an Ulbricht, Norden und Reimann verteilt.[18] Es wurde darin massiv die Argumentationsweise des Senders kritisiert, diese sei vom Klassenstandpunkt her gesehen zu schwach. Inhaltlich wurde nach Meinung Materns der XXII. Partei der KPDSU in Teilen argumentativ verwässert und falsche Schlußfolgerungen gezogen bzw. gar nicht in Bezug auf Westdeutschland kommentiert:

„Der Verzicht auf die Verbindung der Darlegung der Probleme des XII. Parteitages mit einer ideologischen Auseinandersetzung über die in Westdeutschland wirksamen feindlichen Argumente ist ein ernster Mangel in der Arbeit des Senders.“[19]

Auch seien viele Kommentare des beobachteten Zeitraumes losgelöst von der Parteitagslinie vorgetragen wurden. Es wurde so z.B. bei einem von der sowjetischen Delegation in Genf vorgeschlagenen

„sofortigen Atomversuchsstop nicht von der Generallinie des XXII. Parteitages aus argumentiert. Der Sender will vielmehr mit gegnerischen westlichen Pressestimmen die Richtigkeit der Politik der Sowjetunion beweisen."

Am 28. 11. 1961 wird zum selben Problem direkt falsch argumentiert, die auf dem XXII. Parteitag gegebene Linie wird verwässert. So wird die allgemeine und vollständige Abrüstung nicht wie im Programm der KPDSU als "der radikalste Weg zur Gewährleistung eines dauerhaften Friedens" dargelegt und erläutert, sondern als die Gretchen-Frage" bezeichnet, d.h. sie wird als "Probe auf die Ehrlichkeit" der Imperialisten behandelt, statt als Kampfaufgabe auch der Arbeiterklasse Westdeutschlands gegen den westdeutschen Imperialismus, gegen seine atomare Bewaffnung.

Die Bemerkung, was das "Gleichgewicht des Schrecken" bedeute, "davon haben uns die letzten sowjetischen Kernwaffenversuche einen Vorgeschmack gegeben", kann vom Hörer als gegen die Sowjetunion gerichtet verstanden werden, weil er aus der Sendung entnehmen kann, die Sowjetunion habe das "Gleichgewicht" gestört und damit die Westmächte zum Nachziehen veranlaßt.“[20]

Der Sender mache sich viele richtige Argumentationslinien durch weitere Meldungen im Laufe des Programms kaputt, da Meldungen und Kommentare nicht in einer einheitlichen Linie gebracht werden. Als Beispiel führte Matern die Nachricht vom 6.12.1961 an, daß die Bonner Regierung sich weigere, „den Rentner ein Weihnachtsgeschenk auszuzahlen“. Dieses würde

„richtig im Zusammenhang mit den wachsenden Aufrüstungskosten gebracht."

Aber zugleich wurde berichtet, daß auf der Tagung des obersten Sowjets der UdSSR der Verteidigungshaushalt um 3, 14 Milliarden Rubel erhöht wurde. Dem Hörer drängte sich unweigerlich der Gedanke auf, "daß sowohl in Westdeutschland wie in der Sowjetunion im Grunde genommen das gleiche vor sich geht."[21]

Besonders großen Umfang nimmt die Kritik an der mangelnden Motivation ein, die der Sender bezüglich der Mobilisierung der westdeutschen Arbeiterklasse einnähme. Der Sender riefe lieber westdeutsche Politiker auf, etwas zugunsten der Arbeiterklasse zu unternehmen, als selbst zum aktiven Handeln der Arbeiter hinzuleiten.

„Mit diesem Appell an die bürgerlichen Politiker werden der Arbeiterklasse und sogar den Kommunisten die Rolle und die Aufgaben zugewiesen, im Nachtrab bürgerlicher Kräfte zu marschieren, der Arbeiterklasse wird nicht bewußt gemacht, daß sie die führende Kraft des nationalen Kampfes sein und vor allen selbst aktiv handeln muß, um eine Politik der friedlichen Koexistenz durchzusetzen.“[22]

Matern kritisiert diese geförderte Passivität auch an mehreren anderen Punkten. So ist die rhetorische Frage des Senders an seine Zuhörer im Zusammenhang mit einer weiteren Aufrüstung der Bundeswehr „Glaubt etwa irgend jemand, die Russen werden tatenlos zusehen?“ seines Erachtens falsch, da es nicht vor allem „Sache der „Russen“ sei, zu verhindern, daß die Bonner Ultras Raketenwaffen in die Hand bekommen“[23] Zu den Sendungen für die Bundeswehr wurde die grundsätzliche Austauschbarkeit der Armeen der beiden deutschen Staaten in den Programmen des DFS 904 kritisiert, da hier besonders der klassenmäßige Standpunkt fehle.

„z.B. wird im Beitrag vom 11.12.1961 u.a. zu den Befehlen und ihrer Ausführung im Zusammenhang mit dem Eichmann Prozeß Stellung genommen. Der Judenmörder Eichmann hat sich damit verteidigt, er habe Befehle ausführen müssen. In der Sendung heißt es dazu: "Eichmanns Argumente - das sind auch die Argumente der Generale und Offiziere in den Stäben der Bundeswehr" ; auch diese antworten auf die Frage, ob sie "einen gesetzwidrigen Befehl auch heute ausführen würden"...,dann: "Befehl ist Befehl, und der muß ausgeführt werden".

Hier wird völlig außer Acht gelassen, den Soldaten zu erklären, daß die Kommunisten nicht grundsätzlich gegen Befehle und ihre diskussionslose Durchführung sind. Der Sender muß doch den Soldaten verständlich machen, welchen Interessen die Befehle der westdeutschen NATO-Generale und welchen Interessen dagegen die Befehle der Nationalen Volksarmee dienen.

Der Sender argumentiert jedoch nicht klassenmäßig. In keinem Beitrag wird von dem grundsätzlichen Unterschied zwischen der Bonner NATO-Armee und der Nationalen Volksarmee in der DDR gesprochen. Daher kann die Argumentation des Senders bei den Bundeswehr-Soldaten nicht wirken, bzw. kann vom Gegner sogar ausgenutzt werden, um uns bei den Soldaten unglaubwürdig zu machen.

Das trifft z.B. auf die Argumente des Senders gegen das Offizierskorps der Bundeswehr zu, wie "Eure Offiziere haben bessere Verpflegung, sie verdienen mehr Geld, haben bessere Unterkünfte" usw. Manöverunfälle oder Schlägereien werden sensationell aufgebauscht; es wird gegen den militärischen Drill gewettert, die Soldaten werden zum "Kurztreten" bzw. zur Befehlsverweigerung aufgefordert, ohne bei all dem auf den Klassencharakter von Armeen oder ähnliche prinzipielle Fragen einzugehen.“[24]

Beschwert hatte sich auch die Führung der Nationalen Volksarmee (NVA) über die Sendungen des DFS 904. Heinz Priess erinnerte sich ebenfalls an ein Treffen in Frankfurt/Oder, wo er vom damaligen Verteidigungsminister Heinz Hoffmann zur Seite genommen wurde und eindringlich ermahnt wurde, die Soldaten der NVA nicht weiter „verrückt“ zu machen.[25] Die NVA konnte schon trotz Verbots das Hören des DFS 904 nicht verhindern, so sollte wenigstens der klassenmäßige Standpunkt eindeutig sein.

Wie Matern den Sender jedoch sah, zeigt sich in einer Art Fazit des Berichts, der die Analyse zum Wortprogramm des Senders abschließt:

„Wenn man von den Anforderungen angeht, die Lenin an die marxistische Presse stellt, so kann man sagen, daß der Sender auf dem Gebiet der Agitation noch relativ am besten arbeitet, während er seine Rolle als kollektiver Propagandist und als kollektiver Organisator ganz unzureichend erfüllt. Gerade die Sendungen für die KPD sind viel zu wenig darauf gerichtet, wirklich die Parteiarbeit zu verbessern.

Der Sender wird seiner wichtigsten Aufgabe, wirkungsvolles Instrument der Parteiführung zu sein, das schnell und prinzipiell die Beschlüsse und die Politik der Partei und der internationalen revolutionären Arbeiterbewegung erläutert und auf dieser Grundlage den Kampf gegen den westdeutschen Imperialismus und Militarismus organisieren hilft, nicht gerecht.“[26]

Matern ließ es sich jedoch nicht nehmen, auch das Musikprogramm des Senders grundsätzlich zu kritisieren. Abgesehen hatte es der schon etwas ältere Matern dabei besonders auf Schlagersänger, wie z.B. Bill Ramsey, dessen „Ami-Masche“ er als „Verschandelung der Sprache in Richtung Amerikanismus“ empfand. Auch der Einzug des Rock’n Rolls im Programm war für das PB-Mitglied Matern eine „Verfallserscheinung“. Wenn auch einige der Titel, in denen nur die „Liebe“ besungen wurde, für ihn noch akzeptabel waren, kritisierte er die Verwendung dieser westdeutschen Schallplattenproduktionen als nicht annehmbar, da „deren bestimmender Teil ein Bestandteil der politisch-ideologischen Maschinerie des westdeutschen Imperialismus ist“. [27]

Der damals 68jährige Matern wußte aber auch die Alternative zu dieser Musik aufzuzeigen:

„Das Musikprogramm sollte in der Richtung geändert werden, daß der ganze Reichtum der wirkungsvollsten Musik aller sozialistischen Länder ausgenutzt wird. Zum Beispiel war das Moissejew-Ensemble aus der Sowjetunion in Westdeutschland sehr beliebt. Darum kann man durchaus die besten sowjetischen Lieder, Märsche , Walzer usw. spielen, ebenso andere wirkungsvolle und populäre Musikstücke aus den anderen sozialistischen Ländern, die besten Schlager aus der DDR, die schönsten Lieder aus Kuba, die gleichzeitig Schlager sind[...]“[28]

So tauchte als eine der Schlußfolgerungen der Punkt auf, in dem der DFS 904 aufgefordert wird, das Musikprogramm in diese Richtung zu ändern.[29] Die uneinheitliche Linie in der Argumentation des Senders läge u.a. auch daran, „daß der Sender von verschiedenen Kommissionen fertige Beiträge erhält“.[30] Er forderte zudem die Sendeleitung auf die Kaderpolitik des Senders so zu ändern, daß der Sender qualitativere politische und ideologische Sendungen bringen könne. Schließlich habe die Redaktion des Senders die Verantwortung, von Kommissionen eingebrachtes Material in eine einheitliche politische Linie zu bringen. Um diese Fähigkeiten zu fördern, bedarf es als weitere Konsequenz einer besseren Schulung der Mitarbeiter. Außerdem forderte Matern eine besondere Redaktionsabteilung für Propaganda der SED, die ausführlich Berichte über den sozialistischen Aufbau der DDR berichten sollte. Dies könne auch mit Kräften geschehen, die von der SED zur Verfügung gestellt werden müßten.[31] Vermutlich war dieses Dossier nur eines von mehreren, andere sind jedoch in den Akten nicht aufzufinden gewesen. Priess erinnert sich, daß er von Zeit zu Zeit ins ZK der SED zitiert wurde, wenn mal wieder jemand die Sendungen des DFS 9ß4 analysiert hatte, dies war jedoch nicht regelmäßig der Fall.[32]

Tatsächlich änderte sich nicht nur beim Sender die Kaderstruktur in den darauffolgenden Monaten, sondern bei der KPD insgesamt. Viele der Redakteure des Senders bekamen laut einer Vorlage für Max Reimann vom 11.4.1962 in ihrer Parteiarbeit Regionen oder Sachthemen in Westdeutschland zugeordnet, über deren Vorgänge sie sich besonders kümmern sollten.[33] Beim Sender änderte sich das Kollegium im Herbst des Jahres, wie schon in einem der vorherigen Kapitel beschrieben.[34] In den folgenden Jahren wurden weitere „Anregungen“ Materns verfolgt. 1965 befaßte sich eine spezielle Gruppe aus Leuten des PB der KPD „im Interesse der schnellen, konkreten Anleitung der Partei für die Zeit des Wahlkampfes“ mit der täglichen Argumentation des Senders.[35] Schulungen der Redakteure lassen sich nur an einem Beispiel nachweisen: Ende 1968 sendet das Politbüro zwei der Redakteure zu einem halbjährigen Lehrgang für 1969 nach Moskau.[36]

Musikalisch schien sich jedoch beim Sender nichts zu ändern, was auch ein vollständiger Mitschnitt vom 1.Mai 1966 beweist. Hier zeigte sich nur zu offensichtlich das Dilemma, in der die SED-Führung sich befand. War es bei der NVA einfacher ein Hörverbot auszusprechen, so sah es mit der Jugend um so schwerer aus, zumal bei Mittelwellenempfang nicht einfach wie bei UKW–Empfang Antennen vom Dach verbannt werden konnten. Am 2. August beschrieb das Flensburger-Tageblatt die Situation. Insbesondere Radio Luxemburg wurde demnach von der mitteldeutschen Jugend regelmäßig eingeschaltet. Ein Verbot, diesen in FDJ-Heimen zu hören, führte laut Artikel nur dazu , daß sich die Jugendlichen nicht mehr in den Heimen trafen, sondern eben zu Hause Luxemburg einschalteten. Die SED behauptete, der Sender habe eine „unrühmliche Tradition“ als Soldatensender im zweiten Weltkrieg „psychologischen Krieg im Äther praktiziert.“ „Vor lauter Hulamädchen, Kokosinseln und Liebe“ vergesse der Hörer in Meinung der SED, daß dahinter die unbarmherzige Fassade des Atomkriegs stehe, schrieb das Tageblatt

„Zweck und Ziel der Musiksendungen sei es, wie der 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Leipzig, Paul Fröhlich, kürzlich erklärte, die Jugend gefühlsroh, willenlos zu machen, anarchistisch zu beeinflussen, so daß sie am Ende beim Kult des Massenkillens anlangt [...]“

Die Zeitung fand daher die Verteidigung der Jugendlichen sehr geschickt, auf den Freiheitssender hinzuweisen, der ja von der SED-Führung so gelobt werde, aber die gleiche Musik bringe. Formal gab die Führung den Jugendlichen recht, jedoch sei der Sender kein Sender der DDR und sende die Musik für das westdeutsche Publikum. Da die Jugendlichen die mitteldeutschen Schlager der „Sowjetzone“ als Schnulzen empfanden, da „ständig von Traktoristinnen und FDJ-Mädchen die Rede sei“ und die Propaganda des DFS 904 nicht gut ankäme, schalteten die Jugendlichen auch weiterhin Luxemburg ein, beendete das Flensburger–Tageblatt seinen Artikel.[37]

Die westdeutschen Zeitungen beschäftigten sich regelmäßig mit dem DFS 904 und können daher gut in eine Beurteilung des vermeintlichen Geheimsenders in seiner Wirkung mit einbezogen werden. Aber auch in Ostdeutschen Zeitungen tauchte der „einzige Sender der Bundesrepublik, der nicht unter Regierungskontrolle steht“ von Zeit zu Zeit auf, wenn natürlich auch unter anderen Absichten.



Das publizistische Echo in Ost – und West



Das publizistische Echo beschränkte sich in den DDR Zeitungen und Zeitschriften nämlich rein auf die Funktion des Senders. Die wenige Anzahl von Zeitungsartikeln aus der DDR im Archiv des Senders ermöglichen zwar nicht eine exakte Bestimmung, lassen aber durchaus Rückschlüsse durch ihre Aufmachung und Inhalt zu.

Im offiziellen SED-Organ Neues Deutschland tauchte der Sender nur im Zusammenhang mit vermeintlichen Enthüllungen des Senders auf. Der DFS wurde in diesem Zusammenhang nur als Schlagzeile erwähnt: „Der Deutsche Freiheitssender 904 enthüllt...“, danach folgte die Standard ADN-Meldung. Als Beispiel kann eine Meldung im Zusammenhang mit dem in Israel 1960 stattgefundenen Prozeß gegen Adolf Eichmann aufgezeigt werden, diesmal im Regionalblatt Berliner Zeitung:



Bonn bangt um Eichmann – Deutscher Freiheitssender 904 enthüllt Mordpläne

Düsseldorf (ADN/BZA). „Es ist mit allen Mitteln zu verhindern, daß ein öffentlicher Prozeß gegen Eichmann stattfindet, gegebenenfalls muß Eichmann vor Prozeßbeginn im Gefängnis sterben.“ Diesen Geheimplan Bonns enthüllte gestern der „Deutsche Freiheitssender 904“.

Bundespressechef von Eckhardt bestätigte gestern indirekt die Absicht und erklärte, es wäre „nach Ansicht der Bundesregierung wünschenswert, wenn Eichmann vor ein westdeutsches Gericht gestellt würde. [...][38]



1960 wurde der Sender dann noch in einem weiterem Zusammenhang in der DDR-Presse erwähnt. Die schon zuvor erwähnte Problematik für die DDR-Führung, daß immer mehr Jugendliche den DFS 904 wegen der Musik einschalteten, wurde mit einer Art Aufklärungskampagne begegnet, die dem Vorwurf der Ähnlichkeit zwischen Radio Luxemburg und dem DFS 904 begegnen sollte. Das ND berichtete am 4.8. 1960 von einem angeblichen Gespräch zwischen Lehrern und Schülern über dieses Thema. Viele FDJler gaben demnach zu, Radio Luxemburg zu hören, aber bei den Wortbeiträgen abzustellen. In einem Dialog wurde daraufhin in der Zeitung die Unterschiede der beiden Sender herausgearbeitet. Aus angeblich eigener Transferleistung zeigten die Schulkinder auf, wie Radio Luxemburg analog zu Zeitungen, „durch Reklameanzeigen großer Konzerne [...] korrumpiert“ wurde. Der kommunistische DFS 904 bekomme keine Reklameaufträge, da die Interessen nicht mit denen der Fabrikbesitzer übereinstimmten.



„Die Kommunisten sind gegen große Fabrikbesitzer, die am Krieg Geld verdienen wollen; und der Sender 904 enthüllt die schändlichen Blitzkriegpläne der Bonner Militaristen.“

„Und deshalb bekommt er auch keine Reklameaufträge, das ist doch klar!“ [...][39]



Im Oktober 1960 schließlich bemühten sich Joachim Herrmann als SED-PB Mitglied, Horst Schumann in seiner Funktion als 1. FDJ-Ratssekretär und der Chefredakteur der Berliner Zeitung, Dieter Kerschek im Junge Welt-Interview die zahlreichen Zuhörer in der FDJ über den DFS 904 aufzuklären und dieses Thema damit, so hoffte man vermutlich, vorerst einmal aus der öffentlichen Diskussion zu holen:



„Frage: Welche Stellung nimmt eigentlich der Freiheitssender 904 ein und wo steht er?

Horst Schumann: Er nimmt eine ausgezeichnete Stellung ein. Wo er steht – darüber wundert sich das Amt für Verfassungsschutz heute noch. Aber damit muß es alleine fertig werden, wir helfen ihm nicht.

Joachim Herrmann: Man hört diesen Sender ausgezeichnet, und das ist die Hauptsache. Er ist der Sender der illegalen KPD, die den Menschen in Westdeutschland die Wahrheit sagt.

Dieter Kerschek: Im übrigen sind Rundfunksender ja nicht dazu da, sie anzusehen, sondern um sie zu hören.“[40]



Die ostdeutschen Schüler schalteten weiter ein. Hauptsächlich wegen der eigenen schlechten Tanzmusik und einer langweiligen Darbietung wurde bei Luxemburg und dem DFS 904 eingeschaltet, bemerkte die Berliner Zeitung im Juni 1961, ohne natürlich zu vergessen die Gefahr zu erwähnen, die von der amerikanischen Musik ausginge:



„[...]Der Musik wegen hören sie den Freiheitssender 904 gerne und akzeptieren seine fortschrittlich politischen Kommentare. Sie erkennen zwar die Kommerzialisierung des Jazz in den USA, noch nicht aber sehen sie, daß die vom RIAS und NWDR gebotene „heiße Musik“ für den kalten Krieg mißbraucht wird.[...]“[41]



In einer 1961 eingeleiteten Kampagne, in deren Zusammenhang Übersiedler in die DDR und ehemalige Bundeswehrsoldaten der Öffentlichkeit präsentiert wurden, benannte man auch noch einmal die Funktion des Freiheitssenders, als den Sender der „über die tatsächlichen Verhältnisse innerhalb der Bundeswehr [...], auch über ihre aggressiven Ziele“ aufklärte. Der ehemalige Soldat der Bundeswehr, Franz Bittner, dankte gegenüber der BZ dem Freiheitssender für die „objektive Aufklärung“.[42] Weitere Übersiedler in die DDR sprachen von Arrest unter Begründung „Zersetzung der Truppenmoral“, der von der Bundeswehr wegen Abhörens des DFS 904 verhängt wurde.[43] Diese Kampagne wurde noch länger im gleichen Tenor verfolgt. Betrug der geschilderte Arrest noch 10 Tage, schrieb die DDR-Presse in den drauffolgenden zwei Jahren das Abhören des DFS 904 vom kleinen Delikt zum Staatsverbrechen hinauf, daß an höchster Stelle in der BRD abgeurteilt wurde.



„Karlsruhe. Ein Soldat der Bonner Bundeswehr muß für 15 Monate hinter Gefängnismauern, weil er den Deutschen Freiheitssender 904 gehört hatte. Dieses Urteil, das im vergangenen Jahr das Landgericht Braunschweig verhängte, wurde jetzt vom politischen Strafsenat des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe bestätigt. Das Gericht begründete das Terrorurteil mit dem Hinweis, der Soldat habe „mit dem Osten sympathisiert“.[44]



Bemerkenswert ist außerdem nur noch ein Titelblatt des DDR-Satiremagazins Eulenspiegel, das sich in seiner Maiausgabe 1962 indirekt auch dem DFS 904 widmete. Auf dem Bild ist eine Alpenlandschaft zu sehen, vor der ein Bauer und seine gewichtige Gattin in einer offenen Kutsche mit eigenem Kutscher plaziert sind, die am Zaum zu einem Bauern sprechen:



„Lassen Sie sich von diesem – äh- Freiheitssender nicht irremachen, Wastl! Die Güter der Nation, besonders die über hundert Hektar, sind bei mir in den besten Händen!“[45]



Die bundesrepublikanische Presselandschaft setzte sich als Zielscheibe des Senders naturgemäß ausführlicher und kritischer auseinander.

Knapp drei Wochen nach der ersten Sendung des DFS 904 berichtete die Hamburger Wochenzeitung Die Zeit ausführlich über den Sender. Beschrieben wurde die Arbeitsweise des Senders mit der „bewußt ungeschulten Sprechtechnik“ und der „schmissigen Musik“. Trotz der schnellen Erkenntnis beim Hörer, daß es sich dabei um einen Propagandasender handelt, ging für den Autor ein bestimmter Reiz von der Geheimnistuerei des Geheimsenders aus.



„Mag der Hörer in voller Kenntnis der Tatsache, daß dieser Sender in der Sowjetzone steht, seiner Tendenz auch mit Ablehnung begegnen, viele fühlen sich dennoch im Augenblick unbewußt als Mitverschworene; genau wie Generationen ihren Karl May verschlungen haben, obwohl sie wußten, daß jene „Erlebnisberichte“ frei erfunden waren. Dazu kommt noch die gängige Musik, deren Beliebtheit in vielen Fällen sicher ausreicht, daß Hörer auch die kommunistischen Parolen in Erwartung der nächsten zündenden Nummer schlucken.“



Trotzdem werde der Sender bei genauerem Hinhören als ein Abklatsch des Vorbildes „Soldatensender Calais“ empfunden, so Die Zeit. Dem angeblich westdeutschen Freiheitssender fehle da doch das Geschick, ähnliche Wirkung wie sein Vorbild zu erzielen. Daß der Sender in Erscheinung treten konnte ist für Die Zeit in der Ursache des KPD-Verbots zu sehen. Laut eines SPD-Gewerkschafters sei „der Sender für die da drüben mehr wert als die ganze KPD“, wurde der Artikel beendet. [46]

Die Süddeutsche Zeitung (SZ) schrieb schon drei Tage nach dem Verbot der KPD in ähnlichem Tonfall und erinnerte an die bisher nur negativen Erfahrungen mit Parteiverbote in Deutschland. In seiner Wirkung sei der DFS 904 als viel höher im Vergleich zu den bisher „kommunistischen Blättchen“ zu bewerten.[47]Daß in der westdeutschen Presselandschaft und in den Behörden angeblich Unsicherheit bezüglich des wirklichen Standortes des Senders herrschte, zeigen weitere Artikel der SZ von 1956, in denen Anfang September vom tatsächlichen Standort Magdeburg ausgegangen wird, im November jedoch in einem Eigenbericht über den Verfassungsschutz berichtet wird, der in mehreren Bundesländern nach dem „fliegenden Sender“ suchen würde.[48] Die dem Springer-Verlag zugehörige Bild-Zeitung und die Welt nannten jedoch schon wenige Tage nach Sendestart die Nähe von Magdeburg als Sendestandort und Erich Glückauf als einen der Hauptverantwortlichen für den Sender.[49]

In den folgenden Jahren waren sich die Publizisten nicht einig über die Wirkung des DFS 904. „Die Spezialisten des Kalten Krieges wissen, daß sie trotz des teuren Senders und des geschulten Personals nur wenig Interesse in der Bundesrepublik finden“, schrieb die Saarländische Stimme der Freiheit in einer Übernahme eines in mehreren Zeitungen und Zeitschriften veröffentlichten Artikel. Der Autor beklagte allerdings die „Massendenunzierungen“ mit den Offiziere und Soldaten vom Sender überzogen werden und dabei mit straffällig gewordenen Nationalsozialisten gleichgesetzt werden, obwohl sie „im letzten Krieg ihre Pflicht erfüllt haben“.

Fazit des Artikels war:

„Die Nachrichtensendungen sind derart plump und albern, daß man eigentlich nur jedermann empfehlen kann, den „DFS 904“ zu hören. Er bietet die beste Veranschaulichung für die Verlogenheit der kommunistischen Propaganda.“[50]

Im gleichen Ton schrieb auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) über den Sender. Das allgemeine, „von heißer westlicher Tanzmusik“ umrahmte Programm sei „nicht aufregend“. Die FAZ regte sich auch über ungebetene Schützenhilfe auf, die durch unvorsichtige Interviews von bundesrepublikanischen Persönlichkeiten gegenüber DDR-Journalisten entstanden sei. Im vorliegenden Fall wurde ein Interview von Ernst Rowohlt über den Sender wiedergeben, vermutlich ohne sein Wissen, aber „er hätte darauf gefaßt sein müssen. Wußte er doch, in welche Gesellschaft er sich begeben hatte." [52] Am Tage des Verboturteils des Bundesverfassungsgerichts und gleichzeitigem zweijährigen Sendejubliäum des DFS 904 beschrieb die FAZ die Sendungen für die Bundeswehr im Vergleich zu den Versuchen der agitatorischen Zersetzung in diversen Zeitschriften als

„dürftig, weil sie sich damit begnügen, besondere Vorkommnisse, wie etwa ein Manöverunfall oder ein Gerichtsverfahren gegen ein Offizier, unter kommunistischen Vorzeichen auszuwerten. Sie versuchen nicht, die Truppe mit zutreffenden internen Informationen zum Zuhören zu verleiten. Die westlichen Alliierten haben während des zweiten Weltkrieges mit ihrem „Soldatensender Calais“ bedeutend besseres geleistet.“[52]



Bedenkenträger der westdeutschen Publizistik wiesen auf die teilweise Übernahme von Schlagworten hin.

„Das gesamte Tagesprogramm des „Freiheitssenders 904“ ist auf den agitatorischen Kampf gegen die Bundesrepublik abgestellt. Die Nachrichten und Kommentare sind in der Regel als kommunistische Propaganda erkennbar; oftmals aber sind sie auch sehr geschickt abgefaßt, und es kommt vor, daß manche Schlagworte und Gedankengänge sich bald darauf in den Kommentaren einiger westdeutschen Tageszeitungen oder Rundfunkanstalten wiederfinden.“[53]



Viel geändert hatte sich aber auch in den folgenden Jahren bezüglich der uneinheitlichen Einstellung der westdeutschen Publizistik gegenüber dem DFS 904 nicht. Der Flüchtlingsanzeiger monierte in seiner Oktoberausgabe von 1966 die „Schützenhilfe“ der Presse, die im Gegensatz zu den Flüchtlingen wohl nicht „immun“ gegenüber dem Sender sei. Der „Anzeiger“ billigte dem Sender eine „geschickte“ Frisierung der Meldungen zu. Sicherheitshalber wurde den Lesern aber noch eine kurze Erklärung über den Slogan „Der einzige Sender, der nicht unter Regierungskontrolle steht“ mitgeliefert. Der Sender stehe durchaus unter Regierungskontrolle, „nämlich derjenigen Pankows“. In der Bundesrepublik gäbe es keine Regierungskontrolle, da die „Rundfunkstationen unabhängige Organe“ seien.[54]

Allgemein war der Ruf nach einer geeigneten Antwort auf die starke Zersetzung aus der DDR durch eigene Sendungen, wie auch im Deutschen Bundestag diskutiert wurde. Zum zehnjährigen Jubiläum des Sender Freies Berlin (SFB) schrieb die SZ über die Schwierigkeiten, die der Sender bisher hatte, dem Übergewicht der DDR-Sender gegenüberzutreten Dabei räumte der Autor der DDR sogar die schnelle Informationsverbreitung ein, die über die Sender verbreitet wurden. „Für die in den Untergrund gedrängten westdeutschen Kommunisten richteten sie sogar einen eigenen „Freiheitssender“ ein“, während dem SFB trotz Unterstützung durch den Rundfunk im amerikanischen Sektor (RIAS) ein wirkungsvoller Ausbau der technischen Anlagen versagt blieb.[55] Der nur zögerliche Ausbau der westdeutschen Sender als Gegenmaßnahme blieb jedoch aus. 1969 schlossen die „Deutsche Nachrichten“ einen Artikel leicht konstatiert mit der Feststellung:



„Die politisch naive Bundesrepublik hat diesen vielfältigen ideologischen Einwirkungen kaum Gleichwertiges entgegenzusetzen. Etwas positiv in dieser Richtung wirkt die Europawelle „Saar“ und eventuell die „Deutsche Welle“. Die Jugendprogramme der anderen Sender unsere Staates aber leisten vielfach der APO Schützenhilfe und helfen ihr zersetzen und aufweichen. Und die verantwortlichen Stellen sehen diesem Treiben tatenlos zu."[56]



Inhaltlich ging es in den 60er Jahren auch z.B. über die Sendungen für die Bundeswehr. Daß Sendungen des DFS 904 und des DSS 935 Wirkung zeigten, bezeugt ein Urteil des Bundesgerichtshofs. Der Berichterstatter der FAZ berichtete über Urteil über Soldaten der Bundeswehr, die zuerst in die DDR desertierten, dann aber wieder zurückkehrten. In den Urteilen bestätigten die Richter den Einfluß der Rundfunksendungen, denn in den Wachstuben wurde der Freiheitssender abgehört, wie während des Prozesses ausgesagt wurde. Erklärt wurde die Faszination für die „Sowjetzone“ mit der „ungefestigten Natur“ der Soldaten. Scheinbar zeigten die Aufrufe des DFS 904 Wirkung, sich „dienstliche Mißhelligkeiten“ nicht gefallen zu lassen und „einfach in die Zone abhauen“ zu können. Die milden Urteile entsprächen zwar der Rechtspflege, den Lebensumstand der Angeklagten miteinzubeziehen, jedoch könnten keine festen Maßstäbe für andere junge Menschen hergeleitet werden und keinerlei Abschreckung erzielt werden, so der Berichterstatter.[57] Eine Forderung nach einem eigenen, westdeutschen Soldatensender blieben ebenfalls ohne Wirkung, obwohl man in der Bundeswehr durchaus Bedenken über das Abhören der Sendungen des DFS 904 hatte, wie ein Leserbrief an die Welt von 1964 bezeugt:



„Es ist außerordentlich bedenklich, wenn man in vielen Soldatenstuben nach dem Dienst den sogenannten „Freiheitssender 904“ hört. Die Auswirkungen der ständigen mit Tanzmusik kaschierten Berieselung mit kommunistischer Propaganda – geschickt verbrämt durch bekannte Tatsachen – auf den einfachen, in seiner staatsbürgerlichen und politischen Bildung wenig ausgereiften Soldaten sind nachhaltig und sollten zu denken geben.“[58]

Schließlich lieferten sich einige westdeutsche Zeitungen mit dem Sender 904 regelrechte publizistische Schlachten. Diese hatten ihre Ursache immer dann, wenn der Sender sich einer Vorlage einer westdeutschen Zeitung bemächtigte und diese als Quelle der Information angab bzw. den Artikel zu eigenen Gunsten mit den bekannten Methoden der Übertreibung, Verfremdung und Verallgemeinerung des Zusammenhangs veränderte. Allerdings stellte dies eher die Ausnahme dar.[59]

Wie die Pressemeldungen insgesamt im kommunikationstechnischen Sinne zu bewerten sind, ist nicht einfach zu beantworten. Eine Steuersignalwirkung auf die Sendungen des DFS 904 kann nicht ausgeschlossen werden, läßt sich aber nur vermuten. Das Sammeln aller Zeitungsartikel über den Sender läßt jedoch vermuten, daß man sich durchaus Gedanken über die Wirkung machte. In der Anfangsphase läßt sich feststellen, daß die Redaktion auch auf publizistischen Wege Anfeindungen der Westpresse widersprach, zumeist über eigene Organe.[60] Dies ist später nicht mehr zu sehen, Antworten wurden direkt über den Sender gegeben. Zudem war die Grundlage der meisten Informationen der DFS 904 Sendungen sowieso die Zeitungen, die auch selbst über den Sender berichteten.

Das Interesse an „Hörerfeedback“ läßt sich erst eindeutig ab Mitte der 60er Jahre feststellen, als man eine Deckadresse in Wien als Anschrift für den Sender benutzte.

Hörerreaktion

Zuvor gab es Rückmeldungen nämlich nur über die eigene Kanäle der KPD, die von Empfangsbedingungen und Reaktion auf den Inhalt der Programme berichteten. Die Reaktionen auf Seite der SED wurden schon an anderer Stelle beschrieben, deshalb geht es in diesem Kapitel um Reaktionen des Zielpublikums.

In der Anfangsphase des Senders gingen regelmäßig Berichte der verschiedenen illegalen westdeutschen KPD-Gruppen ein. Besonders der Verband in Schleswig-Holstein kritisierte die „schräge Musik“ des Senders. Man sollte statt dessen doch einmal „einen Querschnitt durch Operette und Volksmusik senden“.[61] Die Genossen aus Nordrhein-Westfalen sprachen sogar von einer einheitlichen „Kritik gegen das Gedudel.“ Der Sender solle sich doch selbst einmal abends von 10-11 Uhr „sich dieses Gekreische servieren lassen“. Grundsätzlich wünschte man sich „qualifiziertere Argumentation.“ Dies gelte insbesondere für die Ungarn-Frage, man orientierte sich in dieser Sache deshalb eher nach dem Deutschlandsender. Dem Sender stehe doch zum gegebenen Zeitpunkt schon mehr Material zur Verfügung, als wirklich benutzt werde. [62] Der Grundtenor, der Sender mache es sich bezüglich seiner Sendungen zu einfach, läßt sich auch in den anderen Berichten der Ortsgruppen feststellen. Allgemeine Parolen wie „Die Lumpen von der SPD können wir nicht wählen“ wurden als „billig und oberflächlich“ abgetan.[63]Die uneinheitliche Argumentationsweise, in einem konkreten Fall mal für eine Streikleitung, dann mal wieder dagegen, wurde ebenso als ein Manko der Sendungen empfunden. [64]

Der Sender schien daher nach den ersten Wochen noch nicht seine Rolle gefunden zu haben und die nun verbotenen Tageszeitungen ersetzen zu können. Prallte die Kritik über die Musik des Senders auch an der Sendeleitung ab, wurden andere Vorschläge, wie einen täglichen Kommentar zu aktuellen Themen in das Programm aufzunehmen, positiv beschieden. Daß man sich Kritik stellte, wenn auch im sozialistischen Sinne, zeigten auch die Jahresversammlungen, in denen, wie schon in einem der vorherigen Kapitel beschrieben, regelmäßig Programmkritik geübt wurde. Natürlich konnten die Berichte aus den Landesgruppen keinerlei Repräsentanz bezüglich der Hörerwirkung darstellen, da diese erst zusammengetragen wurden und dann in zeitlichem Abstand an den Sender weitergeleitet wurden. Findige Hörer sendeten in der darauffolgenden Jahren z.T. Hörerbriefe an DDR-Behörden, insgesamt gingen von 1956 bis 1967 auf dieser Weise aus der Bundesrepublik 115 Briefe, aus der DDR 150 und dem Ausland 110 Briefe ein.[65] Eine direkte Hörerresonanz war offiziell erst mit der Einrichtung der Deckadresse in Wien möglich. Am 5. Oktober gab der DFS 904 zum ersten Mal eine Adresse während der Sendung bekannt:



Deutscher Freiheitssender 904, Postfach 248, A-1021 Wien, Österreich.[66]



Die Auswertung der Hörerpost ergab in der Quantität vom Zeitraum Oktober 1967 bis Oktober 1969, daß 695 Briefen aus der Bundesrepublik und eine etwas geringere Zahl von 516 Briefen aus der DDR kamen.[67] Aus dem Ausland erreichten den Sender nochmals 158 Briefe. Aufgeschlüsselt zeigten sich weniger deutlich die guten Empfangsgegenden des Senders, als eine funktionierende kommunistische Struktur am Zielort vorhanden war, die zum Hören und Schreiben animierte. Hauptsächlich aus Niedersachsen, Nordhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Bayern meldeten sich Hörer zu Wort. Sieht man allerdings die genaue Zahl von Hörern, die 1968 aus der Bundesrepublik an den DFS 904 schrieben, mutet die Hörerzahl von 295 doch als recht gering an. Für die Hörerzahlen aus der DDR läßt sich von 1968 auf 1969 die Tendenz feststellen, daß diese stark abnahmen. Die interne Auswertung des Senders stellte fest, daß sich 25% der eingetroffenen Briefe mit politischen Themen befaßten. Der zusammengefaßt als „Jüngere Arbeiter, Studenten und Oberschüler, Rentner und ältere Angestellte“ bezeichnete überwiegende Anteil der Schreibenden verlangte Werbematerialen der KPD, beschäftigte sich mit aktuellen politischen Themen oder meldete sich mit persönlichen Anliegen an den DFS 904. Aus der DDR kamen größtenteils Zuschriften von Jugendlichen, die einen Musikwunsch äußerten. Man stellte „in vielen dieser Briefe [...] eine gute Haltung zu ihrem Staat“ fest.[68] Neben Bekunden man möchte der KPD beitreten kamen aber auch einige Briefe, in denen der Sender beschimpft wurde. Da wurden die Redaktionsmitglieder schon einmal als „niederträchtige Schweine“ tituliert und nachgefragt „wann wird den Geknechteten in der Ostzone eine Gelegenheit gegeben, durch freie Wahlen zu bekunden wie er leben möchte“[69] oder süffisant bemerkt, man solle doch statt immer gegen den Imperialismus der Bundeswehr mal in die Tschechoslowakei schauen, wo doch die eigenen Truppen stünden.[70]

Die Hörerpost wurde vom Sender von Anfang an als ein weiteres Feld der Agitation begriffen. Der „Beschluß über Bearbeitung von Hörerbriefen“ vom 29.11.1967 beschrieb die Arbeit mit den Hörerbriefen als „ein Teil unseres politischen Kampfes, unseres Parteiauftrages“. Vom Status des „illegalen Kampfsenders“ sei daher auch nur die Post zu beantworten, die politischen Inhaltes sei. Zur Beantwortung wurde eine einstündige Sendung Mittwochs von 21.30 bis 22.30 Uhr veranschlagt, in der ohne Nennung der Familiennamen und Adressen der Schreiber auf Wünsche in einer „gestalteten Musiksendung“ eingegangen wurde. Lediglich Briefe negativen Inhaltes sollten unter vollem Namen und Absender des Adressaten verlesen werden.[71] Die Vorlage des Beschlusses enthielt auch genaue Angaben, was mit negativen Briefen aus der DDR zu geschehen habe. Diese sollten von „Rüdiger“ ans Sekretariat gesendet werden, von wo aus sie an das ZK der SED übergeben wurden. Im konkreten Fall wurde in der Vorlage ein Brief einer Studentin aus Karl-Marx-Stadt beschrieben, „der üble Verleumdungen und Beschimpfungen enthält“. Im Beschluß wurde dann zusätzlich noch festgehalten, die Post aus der DDR „in keiner Weise“ zu beantworten. Die bisherige Praxis, nur den Namen bei Wünschen ohne das Land DDR zu nennen hatte aufzuhören, da dieses die Gefahr in sich barg „in einen bestimmten Widerspruch zu geraten mit dem, was hier der Jugend gelehrt wird“ und zudem der Hörerkreis in der DDR noch größer wird. Das Einschalten Jugendlicher aus der DDR ließe sich schließlich nicht verhindern.[72]Daß Briefe, die ans ZK der SED weitergeleitet wurden, möglicherweise auch der Staatsicherheit übergeben wurden, wollte Heinz Priess in der Erinnerung nicht ausschließen, aber auch nicht bestätigen.[73]

Interessanterweise forderte man von der Sendeleitung noch zusätzliche Deckadressen, über die Hörer den Sender erreichen könnten. Von Wien aus wurden die Briefe in immer längeren Abständen via der ZK-Abteilung „Verkehr“ an den Sender geleitet. Die eigene Sicht der Dinge über Wirkung der Sendungen ließ die Forderung nach mehr Adressen in Helsinki, Stockholm oder Rom aufkommen:

„Da der Gegner alles versuchen wird, diese Postadresse zu liquidieren und auch die Gefahr besteht, ist es notwendig, sofort Ersatzadressen zu beschaffen.“[74]



Zur Umsetzung dieser Forderung vom 29.11.1967 kam es allerdings in den letzten Jahren der Sendergeschichte nicht mehr. Vielmehr zeigte sich im folgenden Jahr durch die Anbahnung der Gespräche zur Gründung einer neuen kommunistischen Partei in der BRD, daß das bisherige Informationsmonopol des Senders als Stimme aller Kommunisten, insbesondere der KPD, aufzuweichen drohte. Ein legaler Status von Kommunisten in der BRD stellte zwangsläufig auch einen illegalen „Kampfsender“ in Frage. Schwerwiegend war dann für den Sender auch der Weggang vieler der westdeutschen Redakteure. Sie sollten sich zum Teil aktiv an der Mitwirkung der Sondierungsgespräche zur Gründung der DKP beteiligen .

vgl. Wilke/Sartoris, S. 296.

vgl. Interview Broch.

vgl. ebd.

vgl. SAPMO-BArch BY1/2506. PB der KPD am 20.10.1960.

vgl. DeutschlandRadio.

vgl. SAPMO-BArch BY12/2305.

vgl.ebd. 180. Sitzung des Bundestags. In: Bulletin des Presse – und Informationsamtes der Bundesregierung vom 22.Juni 1968.

vgl. ebd. Il Sottosegretario di Stato per gli Affari Esteri an Franco Pezzino. 21.9.1966.

vgl. SAPMO-BArch BY1/2303. Wehrausbildung in Wort und Bild 6/62.

vgl.ebd. BY1/2305. Informationen für die Truppe. Hrsg. vom Bundesminister der Verteidigung, Abteilung Streitkräfte. 1966. S. 554f.

vgl. ebd. BY1/2304 Ausgabe 1./10.8.1965, Nr. 21/22.

vgl. Deutscher Bundestag. 3. Wahlperiode. Drucksache 2794.

ebd. Drucksache 2969.

vgl. ebd.

SAPMO-BArch DY30/IV A2/10.02/181: Akte enthält die Studie des Bundesinnenministeriums „Die kommunistische Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1966“ vom Juni 1967. vgl. insbesondere S.37; S.52;S.60.

vgl. zum DSS 935 ausführlich u.a. bei Scheer; Wilke/Sartoris; Bergmann; Fricke.

vgl. Brief Max Reimanns an Albert Norden vom 6.10. 1960: Reimann beschwert sich massiv über die Tatsache, daß der DFS 904 nicht mehr seine Sendezeit überschreiten könne, „da in dieser Zeit die sonst von uns benutzte Welle für andere Sendungen gebraucht wird. Ich halte eine solche Maßnahme, ohne uns vorher davon in Kenntnis zu setzen, für – gelinde gesagt – unmöglich.[...]“ Man konnte deshalb auch nicht eine vollständige Rede Walter Ulbrichts bringen, so Reimann. Eine Art Drohung, die jedoch bei Norden völlig abprallte. vgl. SAPMO-BArch DY30/ IV 2/2028/38 Büro Albert Norden.

vgl. SAPMO-BArch NY/4076/145 Blatt 153; Dossier in ebd. DY30/ IV 2/2028/1 Blatt 163-183.

SAPMO-BArch DY30/ IV 2/2028/1 Blatt 165.

ebd. Blatt 166.

SAPMO-BArch DY30/ IV 2/2028/1 Blatt 166 f.

ebd. Blatt 168.

ebd. Blatt 172.

SAPMO-BArch DY30/ IV 2/2028/1 Blatt 173 f.

ebd. Blatt 182; Priess, S. 293 f.

SAPMO-BArch DY30/ IV 2/2028/1 Blatt 177.

ebd. Blatt 179.

ebd.

ebd.

ebd. Blatt177.

vgl. SAPMO-BArch DY30/ IV 2/2028/1 Blatt 180.

vgl. Priess im DeutschlandRadio.

vgl ebd. BY1 /2582

vgl. ebd. BY 1/2600, Sitzung des Politbüro der KPD vom 19.9.1962. Beschluß über die Zusammensetzung des Kollegium bei Valentin.

vgl. ebd. BY 1/2737 Politbüro der KPD.

vgl. ebd. BY1/2928 Politbüro der KPD.

vgl. Flensburger-Tageblatt: „Radio Luxemburg und die SED. Scharfe Kampagne gegen „staatsgefährdende“ westliche Schlager. 2.August 1961. In: SAPMO-BArch BY 1/2303.

vgl. SAPMO-BArch BY1/2302, Berliner Zeitung vom 28.5.1960.

vgl. ebd. BY12303. Hubert Lembach: Kinder erwarten klare Antworten. das politische Gespräch zwischen Lehrer und Schüler. In: Neues Deutschland vom 4.8.1960.

vgl. SAPMO-BArch BY1/2303. Junge Welt vom 21.10.1960.

vgl. ebd. BY1 / 2302. Titus Tautz: Die Zehnte wurde zum Magnet. Berliner Zeitung vom 3.6.1961.

vgl. ebd. Berliner Zeitung 19.2.1961.

vgl. SAPMO-BArch BY1/2303. Friedrich Menzel: Wehrpaß? – Ich passe. Berliner Zeitung 8.2.1961.

vgl. ebd. Kurznachricht der ADN vom 4.2.1963.

vgl. ebd. Eulenspiegel 1.Maiheft 1962.

vgl. SAPMO-BArch BY 1/2303. Die Zeit vom 6.9.1956.

vgl. ebd. BY1/2302. Süddeutsche Zeitung, Das Streiflicht, 20.8.1956.

vgl. ebd. 1./2.91956;8.11.1956.

vgl. ebd. Bild-Zeitung vom 31.8.1956; Die Welt vom 4.9.1956.

vgl. SAPMO-BArch BY1/2302. Bernhard Korn: Ein Sender falscher Freiheit. Schocknachrichten, Denunzierungen und geklaute Musik vom ostzonalen Band 904. In: Saarländische Stimme der Freiheit 3, Juli 1960.

vgl. ebd. FAZ vom 8.August 1959.

vgl. ebd. Ernst Otto Maletzke: Oberst Mrochens psychologischer Krieg – die Bundeswehr als Objekt kommunistischer Zersetzungsversuche. FAZ vom 17.8.1959.

vgl. SAPMO-BArch BY1/2302. Auszug aus “Verschwörung gegen die Freiheit”. Die kommunistische Untergrundarbeit in der Bundesrepublik. Herausgegeben von der Münchener Arbeitsgruppe „Kommunistische Infiltration und Machtkampftechnik im Komitee „Rettet die Freiheit“. Tagung in Frankfurt/Main März 1960, S.11.

vgl. Flüchtlingsanzeiger 10/66, S.5.

vgl. ebd. BY1/2304. Willy Kinnigkeit: Im Funkhaus an der Masurenallee. Seit zehn Jahren steht der Sender Freies Berlin im Ätherwettstreit mit der Ostzonen-Propaganda. SZ vom 1. Juni 1964, S.3.

vgl. SAPMO-BArch BY1/2305. Paul Hartmann: Rote Hetze im Äther – keine Gegenreaktion aus Bonn. Deutsche Nachrichten vom 1.8.1969, S.4.

vgl. ebd. BY1/2302. FAZ im November 1961. Genaues Datum war nicht ersichtlich.

vgl. ebd. BY1/2304 Leserbrief von Bernd Basche, Oberleutnant zu See, Sahlenburg (Cuxhaven)

an die Welt vom 16.11.1964

z.B. Kölnische Rundschau vom 2.8.1958: Ostzonaler Sender will es besser wissen – Verhältnisse bei den KVB [Kölner Verkehrsbetriebe] in hetzerischer Weise mißdeutet – Die wirkliche Sachlage. vgl. SAPMO-BArch BY1/2302.

z.B.: November 1956 als der Sender der Gewerkschaftszeitung Welt der Arbeit widersprach, er beschäftige alte „Nazigrößen“. Dem Autor des Artikels war wohl entgangen, daß es sich um einen kommunistischen Sender handelte. vgl. SAPMO-BArch BY1/479 in Bezugnahme auf einen Artikel vom 2.11.1956.

vgl. ebd. Blatt 88;98. Bericht 9+10 vom 25.10.1956 und 1.11.1956 aus Schleswig-Holstein.

vgl. SAPMO-BArch BY1/479, Blatt 193.

vgl. ebd. Blatt 170.

vgl. ebd. Blatt 101.

vgl. ebd. BY1/1718.

vgl. ebd.; vgl. Scheer/Steffens, Roter Schwarzfunk, S. 18.

vgl. SAPMO-BArch BY1/1718.

vgl. SAPMO-BArch BY1/1718.

DeutschlandRadio Interview. Zitat aus Hörerpost.

vgl. SAPMO-BARch BY 1/1718.

vgl. ebd.

vgl. SAPMO-BArch BY1/1718.

vgl. Interview im DeutschlandRadio.

SAPMO-BArch BY 1/1718.




Das Ende des Deutschen Freiheitssenders 904

Am 4. Juli 1968 fand im bundesdeutschen Justizministerium ein Treffen von Vertretern der KPD, unter ihnen die zuvor beim DFS 904 tätig gewesene Grete Thiele, und Bundesjustizminister Heinemann und seinem Staatsekretär Ehmke statt. Ritualisierend betonte Thiele zu Beginn des Gespräches, daß inzwischen ein Konsens in Reihen der Bundesregierung bestehe, die das KPD-Verbot als „politisch falsch“ betrachte. Heinemann jedoch rekapitulierte Argumente, die gegen eine Wiederzulassung sprächen. Die KPD-Gesandten akzeptierten angeblich diese Aussage und nahmen auf das Angebot Bezug, über eine Neugründung zu sprechen.[1] Um Bedenken zu zerstreuen, daß eine neue Partei als Nachfolgeorganisation wiederum verboten werden könnte, wies Heinemann darauf hin, die neue Partei müsse nach Artikel 21 des Grundgesetzes agieren. Dies zeige sich u.a. an einem demokratischen Aufbau. Die Parteispitze dürfe sich nur nach freien und geheimen Wahlen zusammensetzen und das Parteiprogramm nicht die Beseitigung des derzeitigen Staats- und Verfassungsgefüge beinhalten.[2] Das zuvor neuvorgelegte Programm der KPD enthalte jedoch wiederum Punkte, die zu ihrem Verbot 1956 geführt hätten.[3]Die Motivlage für eine Neugründung kam vermutlich aber von jüngeren KPD-Leuten aus der BRD, die seit 1967 auf eine solche Version drängten. Nur Ulbricht und Reimann beharrten „auf eine KPD unter Reimann Führung“.[4]Vermutlich war dies einer der Gründe, warum der DFS 904 erst einmal weiterlief, auch nach der Gründung der DKP am 26. September 1968. Viele der älteren KPD Anhänger blieben erst einmal in Wartestellung.[5] Die DKP setzte sich eher aus der Leuten der dritten Reihe der KPD zusammen, um eine Verbot als Nachfolgeorganisation zu verhindern. Der Mann im Hintergrund, Max Reimann, jedoch war wenig begeistert von der neugegründeten DKP und sah darin eher ein Verrat an der Partei Thälmanns. Erst als der engere KPD-Kreis um Reimann ihn massiv unter Druck setzte, stimmte Reimann zähneknirschend zu. Allerdings rächte sich Reimann an der DKP nochmals mit einem Interview im „Spiegel“, in dem er die DKP „faktisch in die Pfanne haute“.[6] Der Sender fuhr in der Zwischenzeit weiter sein Programm auf Linie der KPD. Reimann wurde in der Zwischenzeit vom Parteivorstand der DKP weiter bearbeitet, bis er schließlich einwilligte, Ehrenvorsitzender der neuen Partei zu werden. Dies wäre schon seit 1968 möglich gewesen, nachdem am 18. Oktober 1968 der Haftbefehl gegen ihn in der BRD aufgehoben wurde. Am 27. September 1971 war es dann schließlich soweit: Reimann trat der DKP bei und wurde einstimmig aufgenommen.[7] Drei Tage später verschwand der DFS 904 sang und klanglos ohne Abschiedssendung aus dem Äther. Der Beitritt Reimann war aber nur eine der Gründe, die das SED-PB veranlaßten, den Sender am 30. September 1971 abzuschalten. Gleichzeitig betonte die DDR ab 1.Oktober ihre staatliche Abgrenzung gegenüber der BRD durch Umbenennung des Deutschlandssenders in Stimme der DDR.[8] Die Parteigruppe am Sender löste sich am 26.10. 1971 auf und bedankte sich im Abschlußprotokoll bei den Genossen der SED:

Mobirise

 „Die KPD-Parteigruppe am Deutschen Freiheitssender 904 dankt der Parteiführung der SED, den anderen beteiligten Stellen, sowie allen Genossen aus der DDR für ihre Unterstützung, die uns die Möglichkeit gab, mehr als 15 Jahre mit dem Instrument des Deutschen Freiheitssender 904 der Meinungsmanipulation in der Bundesrepublik entgegenzutreten und in der Arbeiterklasse für Frieden, Demokratie und Sozialismus zu wirken.“[9]


Die politische Lage hatte sich vorsichtig insoweit angenähert, daß ein Sender wie der DFS 904 als Zeichen des Guten Willens abgeschaltet wurde. Dies ist im Abschlußprotokoll aber nicht vermerkt oder bewertet worden. Die bundesdeutsche Presselandschaft ging sogar noch einen Schritt weiter und deutete die Abschaltung des Senders als eine Geste, mit „der die DDR das Ende der verfassungswidrigen KPD signalisieren“ wollte, auch wenn eine Abschaltung des Senders nie in den Annäherungsgesprächen der Staatssekretäre Bahr und Kohl ein Hauptpunkt gewesen war.[10]

Vielmehr kann eine weitere Ursache im Wechsel an der Staats- und Parteispitze der DDR gefunden werden. Walter Ulbricht wurde am 3.Mai 1971 gestürzt, es folgte Erich Honecker als 1. Parteisekretär. Die KPD verlor dadurch einen ihrer großen Fürsprecher, der Bedenken gegenüber einer Neugründung hatte und lieber die alte KPD gesehen hätte. Reimann wurde als Ehrenvorsitzender der DKP quasi entmachtet und durfte sein Lebensabend mit dem Erzählen „revolutionärer Geschichten“ verbringen.[11]

Der Deutsche Freiheitssender 904 hatte ausgedient. Von der KPD blieb nach 1971 außer dem Ritual, eine Aufhebung des Verbots am Jahrestag der Verkündigung des Urteils durch das Bundesverfassungsgericht zu verlangen, nicht mehr viel übrig.

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Mensing, Wir wollen unsere Kommunisten wieder haben. S; 15f.

2 ebd. S. 17 f.

2 Fülberth, S. 112.

4 Mensing S. 46.

5 Fülberth, S.118.

6 Interview mit Adolf Broch.

7 Mensing, S.75.
8 vgl. SAPMO – BArch DY30 J IV2/2/1355 Politbürositzung vom 21.September 1971 14/71. Punkt 6 hält lapidar fest: „Der Sender 904 stellt seine Tätigkeit ein“

9 ebd. BY 1/ 2313.

10 ebd. BY1/2305.Der Spiegel Nr. 42 vom 11.10.1971; Hamburger Morgenpost vom 7.10.1971. Im SAPMO-BArch läßt sich bezüglich der Gespräche Bahr-Kohl nichts über den Sender finden. Dies sei aber am Rande erörtert worden, so die Frankfurter Rundschau am 6.7.1972.

11 Interview Broch.

Historische Bewertung des Deutschen Freiheitssender 904 


Der Sender ist wegen seiner festen Stationierung in der DDR, ohne deren offizielle Bestätigung, als Grausender zu bezeichnen. In seiner 15jährigen Sendezeit befolgte der Sender seinem von SED und KPD gegebenen Auftrag als Organ der illegalen KPD. Die Finanzierung des Senders erfolgte durch die SED, konkrete Beträge ließen sich aber nicht mehr feststellen.

Die maßgebliche Rolle im Programminhalt des Senders spielte sein Feindbild, wie sich an der Sprache feststellen läßt. Bundesregierung, Wirtschaft und Militär der BRD waren die Hauptziele der Angriffe des DFS 904. Regierung und Militär wurden immer wieder in Bezug auf das III. Reich gestellt. Dies erfolgte in den Programmen entweder durch direkte Nennung von früheren Nationalsozialisten in ihrer damaligen und aktuellen Position, durch Verwendung von pejorativen Wörtern des nationalsozialistischen Wortschatzes im Zusammenhang mit diesen Personen oder Vorgängen, die von ihnen ausgelöst wurden, oder indirekt durch Unterstreichung der vermeintlich anderen, fortschrittlichen geschichtlichen Tradition, in der sich Kommunisten gesehen haben. Diese drückten sich in den Schlagworten „Frieden, Entspannung“ und „Abrüstung“ aus.

Diese programmatische Vorgehensweise blieb während der gesamten Sendezeit des DFS 904 gleich. Informationen aus der Bundesrepublik, zumeist aus Tageszeitungen oder der dpa entnommen, wurden im kommunistischen Sinne verändert bzw. durch Material der Presseabteilungen der SED und KPD ergänzt und in den Programmen verarbeitet. Dies erfolgte zumeist auf spekulativem Wege, d.h. Andeutungen in Presseartikeln wurden als weitere Tatsachen dargestellt. Verstärkt wurden „Enthüllungen“ durch mehrfache Wiederholung im Programm und deren Verallgemeinerung. Schließlich ging es dann nicht mehr um einen einzelnen „Skandal“, sondern um die grundsätzlich zu verändernde Situation in der BRD, die sich nur in dem vermeintlichen „Skandal“ einmal mehr ausgedrückt hätte. Sprachlich suggerierte der Sender in seinen verbreiteten Informationen zusätzlich eine Art Allgemeingültigkeit durch wiederholende Aussagen zur angeblich negativen Stimmungslage in der Bevölkerung der BRD. Dies geschah durch Verwendung von vereinnahmenden Phrasen, wie „Wir hier in der BRD“ oder „bei uns“. Beim Zuhörer sollte immer wieder der Eindruck entstehen, die BRD befinde sich in einer ständigen wirtschaftlichen Krise und werde durch ehemalige Nationalsozialisten kontrolliert, welche die Verfassung außer Kraft setzen wollen.

Konkrete Politik versuchte man über spezielle Programme für einzelne Gruppierungen innerhalb der BRD zu betreiben. Vor allem die Sendung Hier spricht die KPD war als Anleitung für die illegalen Gruppen gedacht, auch wenn sich Aktionen der Anfangsphase, wie das Durchgeben vollständiger Texte zur Erstellung von Flugblättern, im beobachteten Zeitraum nicht mehr feststellen ließen. Es ging darum, eine starke aktive Politik der KPD in der BRD zu vermitteln, die es allerdings so schon vor dem Verbot nicht mehr gegeben hatte. Dies kam deutlich in den Gewerkschaftssendungen zum Ausdruck, in denen Programmentwürfe derselbigen analysiert werden und Verbesserungsvorschläge geliefert wurden, ohne aber Programme westdeutscher Gewerkschaften grundsätzlich ändern zu können. Man beschränkte sich daher eher auf allgemeine Appelle, z.B. dem rechten Flügel der SPD nicht zu viel Macht einzuräumen. Es liegt die Vermutung nahe, der Sender schien sich hier nicht ganz sicher, ob durch bloße doktrinäre Darlegung der eigenen Standpunkte nicht gänzlich auf eine kommunistische Stimme in der BRD durch die Adressaten der Sendungen verzichtet würde und den Kommunisten dadurch die letzte Tür zu gesellschaftlichen Gruppen verschlossen würde. So glaubte man noch halbwegs an die Möglichkeit, mit den „fortschrittlichen Kreisen“ in Aktionsgemeinschaft treten zu können und betrachtete sich, in Verkennung der eigene Lage, als einzige Organisation, die dies bewerkstelligen könne. Deutlich einfacher war daher die Sendung für die Bundeswehr zu gestalten, konnte hier doch das traditionelle Feindbild von Militarismus und Imperialismus gepflegt werden. Die Sendung war in ihrer Wirkung auch die erfolgreichste. In vielen Stuben der Bundeswehrkasernen lief abends ab 21:00 Uhr der DFS 904, wenn auch eher wegen der aktuellen Schlagermusik. Trotzdem schien die Sendung einige unzufriedene Soldaten zu überzeugen, wie Presseberichte bestätigten. Der Erfolg der Sendung läßt sich auch daran ablesen, daß die DDR der Sendung einen eigenen Soldatensender beigesellte.

Die ostdeutsche Presselandschaft nahm den Sender als eine Quelle für enthüllende Nachrichten auf, wie die diversen ADN-Meldungen bezeugen. Dadurch sollte der Sender als eine investigative journalistische Quelle gewürdigt werden und davon ablenken, daß man sich eigentlich zumeist westlicher Presseerzeugnisse als Quelle bemächtigte. Die Westpresse hatte für den Sender eher die Bedeutung einer günstigen Informationsquelle und Ideengeber für Beiträge. Die Berichte der westdeutschen Zeitungen stellten für den DFS 904 unabhängig ihres Inhaltes eine Bestätigung ihrer Arbeit dar, wie sich an der ausführlichen Artikelsammlung im Redaktionsarchiv ablesen läßt. Beeinflußt haben sie die Sendungen nur wenig, da es sich um Erzeugnisse des Gegners gehandelt hat. Diese wurden nur in sehr extremen Fällen, in denen der Sender besonders schlecht wegkam, mit Dementis beantwortet.

Das Selbstbild des Senders in der Tradition der Antifaschisten und Antimilitaristen beruhte zum größten Teil auf die leitenden Mitarbeiter des Senders. Diese kannten sich zum Großteil aus gemeinsamer Zeit im spanischen Bürgerkrieg, wo man u.a. für den ersten Freiheitssender arbeitete. Hinzu kamen noch Erfahrungen aus Verfolgung unter Hitler und die Vorgänge um das Verbotsverfahren der KPD, die ihr Bild vom DFS 904 als eine Art aktiven Widerstand gegen die sich „refaschisierende“ BRD stark beeinflußten. Diese antifaschistische Tradition wurde daher nicht im Sinne der später mythologisierenden Form der DDR zelebriert, sondern aus den persönlichen Erfahrungen der Redakteure und Verantwortlichen des DFS 904 heraus aktiv gelebt. Das Metabild war dadurch natürlich sehr getrübt. Man sah sich oder wollte sich als ständiges Ziel der BRD-Geheimdienste sehen, auch wenn eine Gefahr unmittelbar nicht bestand, sendete und produzierte man doch vom Gebiet der DDR aus. Die Logik des Kalten Krieges aber ließ dem vermuteten Bild des Gegners über den Sender nur wenig Spielraum. Eine Verfolgung fand, wie das eifrige Transkribieren der Sendungen und die weiteren polizeilichen Maßnahmen gegen Kommunisten in der BRD zeigten, auch statt, aber es lag eine starke Beeinflussung durch das Selbstbild vor. Dieses Selbstbild beeinflußte das Bild des Gegners über den DFS 904 dahingehend, daß von einer besonderen Machtstellung des Senders in Form eines Informationsmonopols für kommunistische Ideen in der BRD ausgegangen wurde, welches die staatlichen Organe der BRD zum Zittern bringen könne. Man wollte zudem ein Teil des illegalen Kampfes sein, der gegen das Verbot der KPD anzukämpfen hatte. Diese Teilnahme am Untergrundkampf war im sicheren Hafen der DDR nur durch das Konspirationsgebot beim Sender zu erreichen bzw. zu simulieren, das als Kitt des Senders funktionierte und die Redakteure motivieren sollte. Diese fanden aber das konspirative Verhalten um den Sender eher belastend, weshalb in Parteiversammlungen am Sender den Mitarbeitern die Regeln immer wieder unter Hinweis auf Aufgabe und Struktur des Senders eingeschärft werden mußten. Die von der Sendeleitung immer wieder gewünschte Einhaltung der Trennung von Agitationsdiskussion innerhalb der Redaktionssitzungen und Propagandafragen im Bereich der Parteigruppensitzungen ließ sich wegen der Personalunion beim Sender nie richtig verwirklichen. Zudem hatte die Redaktion für sonstige DDR-Rundfunkverhältnisse eine starke Autarkie. Eine Endabnahme vor Ausstrahlung der Sendungen gab es nicht. Diese war aber auch nicht nötig, da alle Redakteure 100 % von ihrer geforderten Aufgabe überzeugt waren und viele bewährte und erfahrene kommunistische Journalisten zum Sender berufen wurden. Die Aufspaltung in verschiedene Gruppen im Sender und der dadurch erhoffte Wettbewerb untereinander wurde durch die Macht des gewohnten Tagesablaufs in der Redaktion untergraben.

Ein Wettbewerb innerhalb des Senders hätte auch keinerlei Auswirkungen auf das Produkt gehabt, nämlich die Sendungen und ihre Wirkung beim Zielpublikum. Diese war sowieso schon durch eine schlechte Frequenz stark eingeschränkt. Das Feedback in der Anfangsphase war dementsprechend. Bei der Frequenz konnte nur minimal durch geringfügige Abwanderung 4 kHz höher reagiert werden, anders bei Informationen zum Programm. Hier wurde die Rücksprache mit den KPD-Landesverbänden in der BRD als Gradmesser verwendet, wenn auch nicht auf alle Kritikpunkte eingegangen wurde. Immerhin kam man der Aufforderung nach, einen täglichen Kommentar einzuführen. Bei der Musik zeigte man sich kompromißloser, die aktuelle Schlagermusik war ein zu gutes Lockmittel, unpolitische Hörer der BRD an den Sender zu binden. Man versäumte es jedoch, ein regelmäßiges „Feedback“ einzufordern und wollte sich diesem auch nicht stellen. Daher arbeitete der DFS 904 eindeutig nach einem linearen Kommunikationsprozeß. Reaktionen von Seiten der KPD und SED können nur eingeschränkt, z.B. im Falle der Rückmeldungen der einzelnen Landesverbänden der illegalen westdeutschen KPD, oder überhaupt nicht, wie im Falle der Auswertungen der SED, als „Feedback“ gewertet werden, da es sich hier um einen Teil der Kommunikatoren handelte. Reaktionäre Rückmeldungen und Aufforderungen von Seiten der SED torpedierten die Bemühungen, ein Sender für Westdeutschland zu sein. Bestätigt wird dieser Mangel an Bewußtsein, ein „Feedback“ zur besseren Wirkung des Senders auszuwerten, an der späten Einführung einer Postadresse. Diese ergab für die Verantwortlichen nicht die Möglichkeit einer Rücksprache, sondern nur eine weitere Möglichkeit der Agitation. Die relativ geringe Zahl der Briefe für einen Sender dieser Sendeleistung zeigten eher ein Desinteresse an politischer Diskussion beim Hörer, viele der Briefe enthielten zudem lediglich Musikwünsche. Auch hier zeigten sich wiederum die Versäumnisse, die man in der Konzeption des Senders nicht beachtete: Der Geheimsender mußte sich den neuen Entwicklungen in einer veränderten Medienlandschaft geschlagen geben. Zwar versuchte man die Empfangsbedingungen seitens der KPD durch eigene Vorschläge zu verbessern, begrub diese Vorschläge jedoch wieder schnell nach Ablehnung durch die SED und begnügte sich mit der schlechten Ausgangsbasis auf der zugeteilten Mittelwellenfrequenz. Eine Wirkung in Form eines vom Sender gewünschten Ideologietransfers im Sinne des kommunistischen Kommunikationsmodells kann daher ebenso angezweifelt werden. Dies war wohl auch der SED klar, wie sich an der Kritik Materns am Sender zeigte, konnte aber nicht maßgeblich verändert werden. Vielleicht reichte der SED schon der Wirbel, den der Sender in Bonn verursachte. In der Agitation war der Sender durchaus erfolgreich, denn er konnte getreu der Vorgabe Lenins durch ständige Beispiele die vermeintlichen Schwächen des Kapitalismus aufzeigen. Der kollektive Organisator war der Sender aber möglicherweise nur in der Anfangsphase, später konzentrierte er sich fast ausschließlich auf massive agitative Zersetzung. Als Propagandist mag der Sender nur für die versprengten KPD-Gruppen hilfreich gewesen sein, ein Ersatz für die durch das Verbot eingestellten offiziellen Tageszeitungen konnte er niemals sein. Dem dialektisch-kritischen Massenkommunikationsansatz kann der Sender daher auch nicht gerecht werden, da die fehlende Möglichkeit der „Masse“ am Kommunikationsgeschehen teilzunehmen, durch die eigene Definition als Geheimsender nicht gegeben sein konnte und man diesen auch nicht wollte. Allerdings hatte die Definition und das Verhalten als ein Geheimsender dem DFS 904 in der DDR etwas Spielraum verschafft, den offizielle Sender durch die sonstige diplomatische Funkstille zwischen Bonn und Ost-Berlin nie bekommen hätten. Um bei der bundesdeutschen Bevölkerung Gehör zu finden mußte man sich dem westlichen Geschmack anpassen. Die Schlagermusik war das Mittel, die kommunistischen Ideen besser zu verpacken. Der Spielraum war allerdings nicht groß genug, um auch die inhaltliche Gestaltung der Wortprogramme variabler zu gestalten. Völlig abhängig vom Geld der SED hatte der Sender die Gradwanderung zu bestehen, auch dem Geschmack und den Vorstellungen der SED-Mächtigen im Programm wenigstens ansatzweise Genüge zu tun. Dieser unterschied sich erheblich von dem der Bevölkerung, wie man auch in den offiziellen Programmen des DDR-Rundfunks hören konnte. Daher schaltete die Bevölkerung der DDR, insbesondere die Jugend, immer wieder den DFS 904 ein und brachte die Mächtigen der DDR in Erklärungsnöte. Das falsche Publikum in der DDR und die Finanzierung durch die SED verhinderte eine weniger starke, vom konträren Klassenstandpunkt ausgehende Argumentationsweise in dieser Form, wie sie teilweise in den Gewerkschaftssendungen als konstruktive Kritik vorkam. Die stark einseitige Argumentationsweise verprellte daher auch die meisten westdeutschen Zuhörer, die schließlich auch nur noch wegen der Musik einschalteten. Der Sender konnte nicht glaubhaft transportieren, aus dem Gebiet der BRD zu senden und für die freiheitlichen Rechte der Verfassung der BRD einzutreten.

Inhaltlich warb der Sender bei seinen Hörern immer um Entspannung zwischen DDR und BRD im Sinne seines beherbergenden ostdeutschen Staates. Als sich diese Entspannung, für die der Sender und die KPD jahrelang geworben hatten, Ende der 60er Jahr behutsam abzeichnete, war der Sender eines der ersten Opfer. Der DFS 904 als Werber für angebliche Entspannung schien nun genau dieser im Wege zu stehen. Der lineare Kommunikationsprozeß verhinderte eine rechtzeitige Anpassung an die neuen politischen Gegebenheiten. Er hatte seine Existenzberichtigung nur solange aufrecht erhalten können, wie sich die Ausgangslage von 1956 für eine kommunistische Partei nicht veränderte und sich die beiden deutschen Staaten starr in ihren jeweiligen Bündnissen bewegten, die keinerlei Spielraum für innerdeutsche Beziehungen übrig ließen. Wenn sich auch die Entspannung als trügerisch erwies, so änderten sich wenigstens die „Spielregeln“ des Kalten Krieges zwischen den beiden deutschen Staaten ein wenig, so daß sich auch die Waffen im Ätherkrieg änderten. Der DFS 904 war so gesehen seit dem Amtsantritt Honeckers für die SED nicht mehr als eine Waffe in diesem Ätherkrieg gegen Bonn. Eine neue legale kommunistische Partei in der BRD entzog dem DFS 904 sein für die BRD behauptetes kommunistisches Informationsmonopol. Nach seiner Abschaltung geriet er deshalb auch schnell in Vergessenheit.


Bibliographie

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DY30/IV 2/9.02 ZK der SED, Abteilung Agitation

DY30/IV 2/6.05 ZK der SED, Abteilung Verkehr- und

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8. Abkürzungsverzeichnis



ADN

APO außerparlamentarische Opposition

BArch Bundesarchiv

BRD Bundesrepublik Deutschland

BStU Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatsicherheitsdienstes

der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik

CSSR

DDR Deutsche Demokratische Republik

DFS 904 Deutsche Freiheitssender 904

DKP Deutsche Kommunistische Partei

DRA Deutsches Rundfunkarchiv

DPA Deutsche Presseagentur

DSS 935 Deutscher Soldatensender 935

DW Deutsche Welle

EKKI Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale

FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung

FDJ Freie Deutsche Jugend

IG Industriegewerkschaft

KPD Kommunistische Partei Deutschlands

KPdSU Kommunistische Partei der Sowjetunion

NATO

NKFD Nationalkomitee Freies Deutschland

ND Neues Deutschland

NWDR

PB Politbüro

RIAS Rundfunk im amerikanischen Sektor

RFE Radio Free Europe

SAPMO Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im

Bundesarchiv

SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands

SFB Sender Freies Berlin

SU Sowjetunion

SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands

SZ Süddeutsche Zeitung

UdSSR

UKW Ultrakurzwelle

ZU Unsere Zeit

ZK Zentralkomitee




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